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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0130
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Wolfenbüttel

werk so stark, die da bestehen und helfen kön-
ten, Roman. 3 [20] und 4 [2]. Nun were es woll
ein meinung, wenn Gott seinen zorn und ge-
richte wieder die sünde ohne bezalung wolt
fallen lassen, aber damit würde sein gesetz
aufgehoben und aufgelöset, welchs unmüglich
ist, spricht Christus Matth. 5 [18] und Paulus
Roman. 3 [31]; denn dasselbige will und muß
erfüllet sein, sonst sein wir alle verloren. Die-
selbige erfüllung aber ist uns von wegen unsers
fleisches unmüglich, Roman. 8 [3]. Hie kan nun
kein creatur helfen und weiß menschliche ver-
nunft keinen rath. Do kömpt das evangelium und
offenbaret uns die gerechtigkeit, die für Gott
gilt, nemlich, weil das gesetz must erfüllet
sein und solchs uns unmüglich war und wir
derwegen hetten ewig must verlohren sein, das
Gott auß grundloser güte, liebe und barmherzig-
keit seinen einigen Sohn gesandt hat in unser
fleisch und das derselbige mittler, Gott und
mensch, an unser statt getretten ist, für uns
das gesetz auf sich genommen und dasselbige
mit seinem allerheiligstem und volnkommensten
gehorsam erfüllet, und was wir für straffe mit
unsern sünden wieder das gesetz verwirket hat-
ten, dafür hat er gnug gethan und bezalet mit
seinem unschüldigem leiden und sterben. Und
weil die person Gott und mensch ist, so ist der
gehorsam und die gnugthuung so reich und
uberschwenklich, das es eine versönung ist für
die sünde der ganzen welt, 1. Johan. 1 [7], und
das wir durch seinen gehorsam alle gerecht
können werden, Rom. 5 [19].

Dieselbige gerechtigkeit, so Christus mit sei-
nem gehorsam, leiden und sterben erworben hat,
lest nun der himlischer Vatter durch den heili-
gen Geist im wort und sacramenten fürtragen
und anbieten nicht den sichern, muthwilligen
sündern, das die in sünden frey möchten vort-
fahren und ohne busse gleichwoll selig werden,
sondern den bußfertigen, die ihre sünde erken-
nen, sich für Gottes zorn fürchten, denen angst
und bange ist, das sie nicht möchten verloren

werden. Und ist Gottes wille und befehl, das
dieselbigen die angebottene gnad in Christo
durch den glauben annehmen sollen. Und wenn
das geschicht, so haben sie in Christo alles,
was das gesetz erfordert, das also der handel
der rechtfertigung kein leichtfertiger scherz,
sondern ein hoher, grosser ernst ist und wir also
nicht ohne gerechtigkeit für Gott durch den
glauben gerechtfertiget werden, sondern wir
haben in Christo die allervolnkommenste ge-
rechtigkeit, so das gesetz erfordern kan, und
dieselbige wird uns durch den glauben zugerech-
net, Rom. 4 [5] und 8 [4]. Und also wird das
gesetz nicht aufgehoben durch den glauben,
sondern vielmehr aufgerichtet, Roman. 3 [31].

Wenn also der processus iustificationis nach
Pauli exempel den leuten fürgemalet wird, so
werden leichtfertige, sichere, epicurische ge-
danken woll außgeschlagen. Und do gleich je-
mand auf seine werke viel trauen wolte, wenn
er sich in seinem gewissen damit also, wie ge-
sagt, fürstellet ad examen divini iudicii, so wird
die pharisaische hoffart fein niddergelegt. Auch
hat das gewissen auß diesem grunde einen be-
stendigen trost und starken felsen wieder alle
pforten der hellen. Diß sey also ein kurze, ein-
feltige anleitung, wie der articulus iustificati-
onis, von allen irrthumben geleutert, von allen
corruptelen verwahret und mit christlicher be-
scheidenheit auß grunde der schrift zur erbau-
ung also möge getrieben werden, das aller miß-
verstand und mißbrauch abgelehnet und die
gewissen einen bestendigen, seligen trost dar-
auß nehmen mögen. Was sonst mehr zu der
lehre gehöret, das sollen die pastores nehmen
ex confessione et apologia.

Von güten werken.

Im bapsthumb hat man die leute nur immer
zu gutten werken genötiget und getrieben 2, und
ist auch bey vielen ernst und eifer gewesen
zu guten werken, aber das beste hat gemangelt,
nemlich, das man nicht recht gelehret hat.

2 Vgl. Trident. Sess. VI,16. Denzinger 809 f.

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