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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0149
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Kirchenordnung 1569

bapst den leyen geraubet und verbotten hat
den kelch des Herrn 58a, welchen der Herr Chri-
stus in seinem testament zu reichen und ge-
brauchen nicht allein vergünstiget, sondern be-
fohlen hat allen menschen, die seinen namen
anruffen, 1. Corin. 1 [2] und 11 [25 f.], wie auch
solchs in der ersten alten christlichen kirchen
bey und nach der apostel zeiten durchauß allent-
halben gehalten ist worden, und soll den leuten
geweiset werden, was der teufel mit der kelch-
dieberey gesucht habe, nemlich das er den
leuten rauben möchte den schönen trost, wel-
cher mit außdrucklichen worten in dem andern
theil des abendmals gesetzt wird: Dieser kelch
ist das neue testament in meinem blute, wel-
ches für euch vergossen wird zur vergebung
der sünden [Mt 26,28] —, wie sie auch eben dar-
umb bey dem ersten theil in ihren meßbüchern
außgelassen haben die wort (quod pro vobis
datur) 59, auf das die leute also desto mehr
auf ihre opfermeß gefüret möchten werden.
Es soll aber der brauch beider gestalt gehal-
ten werden nicht darumb, das es der bapst et-
wan vergönnet und nachgibt, sondern darumb,
weil es der Son Gottes in seinem testament
also verordnet und befohlen hat und weil das
verbott der andern gestalt eine greuliche sünde
ist wieder das testament Christi.

Und weil der Son Gottes selber in seinem
testament verordnet und außdrucket, wie wir
seines leibs und bluts im abendmal brauchen
sollen, nemlich den leib nemen und essen, das
blut nemen und trinken zu seinem gedecht-
niß, und aber zu einem testament niemand
etwas zuthun soll, Gal. 3 [15], so ist darauß
klar, das es nicht allein gehöret under den
spruch Matth. 15 [9]: Frustra colunt me manda-
tis hominum, sondern das es eine schwere
sünde sey wieder das testament Christi, wenn
man das sacrament zum schauspiel herumbtregt
oder einsperret und dafür einen sonderlichen
gottesdienst anrichtet. So ists auch nicht für

58a Conc. Constant. Sess. XIII, Denz. 626; Trid.
Sess. XIII. cap. 3; XXI. cap. 2 f., can. 2 f.
Denz. 876, 931 f„ 935 f.

die todten eingesetzt, die nicht mehr essen und
trinken; derhalben das abendmal halten, den
todten damit zuhülfzukommen, ist auch wieder
das testament Christi.

Und weil nun das abendmal des Herrn wieder-
umb ganz mit seinem rechten, wahren brauch
auß Gottes wort diesen kirchen restituiret wird,
sollen die leute vleissig vermanet werden, das
sie dafür dem lieben Gott von herzen danken
und zu wahrer dankbarkeit nun oft, wie Paulus
lehret, das abendmal brauchen, nicht auß zwang
auf bestimpte zeit, sondern das ihre eigene
noth sie darzu treibe und der grosse nutz,
selige trost und edle kraft des abendmals sie
darzu reize. Und das kan aufs einfeltigste auß
und mit den worten der einsatzung den leu-
ten fürgetragen werden, das sie solche ver-
manung allzeit vor augen haben können: Wir
sollen stets im wahrem glauben gedenken, was
Christus an uns gewendet hat und seines todts
nimmer vergessen. Wir befinden aber, das wirs
leider allzuviel vergessen und solch gedecht-
niß in uns schwach, kalt und faul ist. Do rufft
nun unser lieber heiland Christus in seinem
abendmal [Mt 26,26 — 28; 1. K 11,25]: Nemet,
esset, trinket, das ist mein leib, mein blut, sol-
ches thut zu meinem gedechtniß. Item wir sind
durch Christum in den gnadenbund des neuen
testaments in der heiligen taufe eingesetzt, aber
denselben bund halten wir leider so steif und
fest nicht, wie wir solten, tretten oft darauß
und brechen denselben, das wir nun gewiß mö-
gen sein, das Christus, so wir in wahrer buß
durch den glauben uns zu ihm kehren, uns
widerumb in denselben bund des neuen testa-
ments einnehme, und das wir ein gewisses
pfand und siegel mögen haben, das wir in dem
bunde allzeit mügen gefunden sein, bleiben und
erhalten werden. So spricht der Son Gottes
im abendmal: Trinket alle darauß, dieser kelch
ist das neue testament etc. Item Christi leib
ist für alle gegeben und sein blut für alle

59 Vgl. Röm. Meßbuch, Ordo Missae, S. 475.

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