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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0168
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Wolfenbüttel

worden, auch durch solche sünde unser leib und
seelen dermassen geschwecht und verdorben
sein, das wir auß uns selbs nichts guts thun
können, viel weniger die gebott und willen Got-
tes halten und derhalben nach dem gesetz Got-
tes verflucht und ewiglich verdampt solten sein,
wie geschrieben stehet im buch des gesetzes,
und aber wir uns selbs, noch kein creatur im
himel und auf erden auß solchem jammer und
verdarnnuß hat helfen können, so hat sich Gott
der allmechtige uber uns erbarmet und aus
unaußsprechlicher liebe seinen einigen Sohn Jhe-
sum Christum in diese welt gesandt und ihn
menschliche natur, fleisch und blut von der
jungfrau Maria lassen annehmen, auf ihne alle
unser und der ganzen welt sünden gelegt, der
sie auch für uns getragen und am galgen des
kreuzes gestorben und am dritten tage wieder
auferstanden ist und damit die sünde und uber-
trettung unser eltern und unser selbs gebüsset
und uns Gott dem allmechtigen wiederumb ver-
sönet hat, das wir nun gerecht und kinder
Gottes werden und das ewige leben und selig-
keit haben sollen.

Damit wir nun solchs desto gewisser sein und
dieser grossen, unaußsprechlichen barmherzig-
keit, lieb und wolthat nicht vergessen solten,
so hat Jhesus Christus in dem abendmahl, als
sein leiden angehen solte, seinen lieben jün-
gern seinen leib zu essen und sein blut zu
trinken gegeben und zu ihnen und allen Christen
gesagt, das es sein leib sey, der fur sie gege-
ben, und sein blut, das fur sie vergossen sey
zu vergebung der sünden, und das sie solchs, so
oft sie also essen und trinken wurden, solten
zu seiner gedechtnuß thun und, wie S. Paulus
[1. K 11,26] sagt, seinen todt darbey verkündigen,
biß er widerkomen wird am jüngsten tage, zu
richten die lebendigen und die todten.

Darumb sollen wir thun, was er uns befihlet,
nemlich, sein leib essen und sein blut trinken
und darbey seiner grossen wolthat, das er
uns durch sein bitter leiden und sterben von
sünde, ewigem tode, teufel und ewigem ver-
damniß erlöset und Gott, dem himlischen Vater,

wider versönet hat, gedenken und ihme dank-
sagen.

Wir sollen auch gleuben, was er gesagt hat,
nemlich: Das ist mein leib, der für euch gegeben
wird, das ist mein blut, das für euch vergossen
wird zur vergebung der sünde. — Wenn wir
solchs thun und gleuben, so empfangen wir
nach seinem wort seinen waren leib mit dem
brodt und sein wares blut mit dem weine und
mit denselbigen alle seine verdienst und ge-
rechtigkeit, als nemlich vergebung der sünde,
erlösung vom tode, die kindschaft Gottes und
ewige seligkeit.

Es sollen aber allein die leute, die hungerig
und durstig nach der gerechtigkeit sein, zu
diesem hochwirdigen sacrament gehen, das ist,
die sich vor sünder bekennen und ihnen die-
selbige lassen leid sein und ein fürsatz haben,
sich zu bessern und, soviel müglich, nach dem
willen Gottes zu leben.

Darumb prüfe sich ein jeder mensch selbs
[1. K 11,28], und der sich also gesinnet befindet,
der gehe kecklich herzu; denn er empfehet das
sacrament wirdiglich, und ob er gleich im glau-
ben noch schwach were, so wil doch Gott damit
gedult haben; denn er das glimmende tocht
nicht außleschen noch das zerbrochen rohr zer-
knirschen [Jes 42,3], sondern den anfang des
glaubens zu gefallen annemen wil. Wir sollen
aber bitten, wie im evangelio [Mk 9,24] stehet:
Herr, ich gleub, ich bitte aber, mehre mir den
glauben.

Welchem aber seine sünde nicht leid sein,
auch keinen willen hat, sich zu bessern, son-
dern in öffentlichen sünden und lastern fort-
zufahren, der bleibe von diesem sacrament;
denn er empfehet es ihme zum gericht, wie
S. Paulus saget.

Das nun wir, die versamlet sein, das abend-
mal des Herrn zu halten und sein leib und blut
zu geniessen, mögen solchs wirdiglichen thun
und unsern glauben dadurch sterken und for-
der nach dem willen Gottes leben, unsern fein-
den vergeben, unsern nechsten lieben und allen
menschen guts thun, wöllen wir Gott den Vater

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