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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0319
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Klosterordnung' 1569

ment nichts fürhalten, das nicht in dieser sechs
stücken einem begriffen sey, die ihm auch so
viel verstands, anleitung und unterweisung
geben, das er nach diesem bericht alle geister
prüfen, ihre predigten urteilen, vor falscher lehr
sich hüten und also beides, vor Gott und den
menschen, bestehen und ihm weiters nicht zu-
gemutet werden kan.

Denn so ein einfeltiger leye aus den zehen
geboten seine sündige gedanken, wort und werk
erkennet und bereuet und durch den glauben all
sein vertrauen allein auf den verdienst Jhesu
Christi setzet, der ihn mit seinem eigen blut
von der sünde, tod, teufel, helle und ewiger
verdamnis erlöset hat und fehet an nach der
gnade des heiligen Geistes, ihm verliehen, dem
Herren Christo für diese gutthat die tage seines
lebens dankbar zu sein, nicht allein mit worten,
sondern auch mit gedanken und den werken,
rüffet seinen namen in allen nöten an, lobet
und preiset denselben und bevleissiget sich
seines göttlichen willens, so viel ein mensch
in diesem leben und grosser schwacheit unserer
natur thun kan: er ist auf den verdienst Jhesu
im namen Gottes des Vaters, Sons und heiligen
Geistes getauft, darin ihm die verheissung der
vergebung aller seiner sünden versigelt ist, er
gebraucht sich des hochwirdigen sacraments,
seines leibes und bluts, zur gedechtnus seines
allerheiligsten und bittern leidens und sterbens
mit herrlicher und herzlicher danksagung, gleu-
bet der heiligen absolution, da ihm die ver-
gebung aller seiner sünden im namen Jhesu
Christi verkündiget wird, wartet seinem beruff
aus, darin ihn Gott gesetzt hat, mit treu und
vleis und wartet alle stund im glauben und un-
gezweifelter hoffnung seiner erlösung aus die-
sem elenden jamerthal — müsste man aber einen
solchen menschen nicht für einen rechten, war-
haftigen und Gott wolgefelligen Christen halten?
Oder was müsste er mehr thun oder mehr
gleuben? Nichts mehr kan man ihn leren, nichts

78 Vgl. Schmalk. Art., Vorrede, 14. Bek. Schr.
S. 413, dazu Anm. 13; Kl. Kat., Haustafel. Bek.
Schr. S. 523 ff.

mehr kan noch sol man ihm auflegen. Auf
diesen zweck sind alle predigten und die ganze
heilige göttliche schrift gerichtet. Denn alle
predigten der propheten und apostel von Christo
Jhesu gehören zumal alle in die artickel unsers
christlichen glaubens. Also aller propheten und
apostel lere und vermanungen zu den guten
werken gehören in die zehen gebot Gottes. Alle
gebet des alten und neuen testaments gehören
in das Vater unser. Das also alles, was wir
von Gott gleuben, wie wir beten und leben
sollen, in diesen dreyen stücken, nemlich im
Vater unser, glauben und zehen geboten begrif-
fen ist, und damit wir in denselbigen standhaft
und bestendiglich verharren, mit den andern
drey stücken, nemlich mit der heiligen taufe,
mit dem heiligen abendmal und heiliger abso-
lution unser glaub und steifer fürsatz bekref-
tiget und gesterket werden.

Dis ist die summa und inhalt der ganzen
christlichen religion und des alten warhaftigen
catholischen, apostolischen, christlichen glaubens,
durch welchen die menschen in allen stenden
müssen selig werden, ausserhalb dem auch sie
keine seligkeit weder zu gleuben und zu hoffen
haben.

Denn obwol Gott in dieser welt drey unter-
schiedliche stende 78 verordnet, nemlich den
stand der oberkeit, des predigampts und den
ehestand, so hat er doch nicht drey weg zu
dem himel geordnet 79, das durch ein besondern
weg die oberkeit, durch ein besondern die pre-
diger und durch ein besondern die im ehelichen
stand solten selig werden, sondern hat ihnen
allen zumal nur einen weg fürgeschrieben, der
in den sechs capiteln der leyenbibel beschrie-
ben ist, nemlich, das sie aus den zehen geboten
ihre sünde lernen erkennen und bereuen, aus
den artickeln des glaubens lernen Gott er-
kennen, der umb des leidens Jhesu Christi willen
aus gnaden ihnen ihre sünde vergibt, lernen
nach anleitung des Vater rrnsers Gott in allen

79 a. R.: Alle stende auf erden haben nicht mehr
denn einen weg zum ewigen leben.

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