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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0347
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Klosterordnung 1569

ergernis gewesen, so die klosterleut mit ihren
kleidern und orden den andern jungfrauen und
eheweibern gegeben haben?

Darumb wenn sonst diesem ldeid 59 nichts
anhieng denn diese ergernis allein, solte ein
christliche jungfrau sich nicht viel bedenken,
sondern solch kleid an ihrem halse nicht wissen,
dadurch die heilige taufe verdunkelt, der ver-
dienst Christi geschmelert und viel einfeltiger
leut zum höchsten verergert werden.

Was denn die regel an ihr selbst belanget, sol
niemand gedenken, das sie damit auch allen
gehorsam gegen Gott und ihrer fürgesetzten
oberkeit, desgleichen alle christliche und gebür-
liche jungfreuliche zucht hingelegt 60, sondern
zu solchem allem viel ernstlicher denn vor nie-
mals verbunden, darzu auch all gerne und durch
Gottes gnade willig erzeigen sollen.

Denn der gehorsam gegen der domina und be-
warung jungfreulicher keuscheit nur zwey stück
sind der allervollkomnesten regel 61 eines gott-
seligen lebens, die einem menschen auf erden
mag fürgeschrieben werden, welches nicht S. Be-
nedictus, S. Bernhardus, S. Franciscus, S. Domini-
cus, S. Augustinus etc., sondern des allmechtigen
Gottes, des Vaters unsers Herrn Jhesu Christi,
und des heiligen Geistes regel ist, darzu wir alle
in der heiligen taufe verpflichtet und verbunden
sind. Und das sind nemlich die zehen gebot,
das unser ganzes herz, unser ganze seele, unser
ganz gemüte, alle unsere kreften durchaus sollen
nach dem willen Gottes gerichtet sein, also das
wir Gott, den Herrn, uber alle ding fürchten,
lieben und vertrauen, das ist, unser herz sol also
gegen ihm geschaffen sein, das, wenn wir mer-
ken, das etwas wider Gott ist, so sollen wir
es faren lassen, wie lieb es auch sein möcht,
nichts höhers fürchten denn ihn und all unser
vertrauen auf ihn setzen, das wir seinen namen
hoch und ehrlich halten und denselben nicht
mit einem unreinen gedanken, mit einem un-

59 a. R.: Die kappen ist ein Christ seines wissens
halben schüldig abzulegen.

60 a. R.: Mit ablegung der kappen wird der

christliche gehorsam nicht ausgezogen.

rechten wort noch mit einer that unnützlich,
ungebürlich oder lesterlich füren, sondern ihn
allweg heiligen, das wir keine gedanken haben,
kein wort reden, kein werk thun, dadurch der
Sabbath oder feiertag möchte entheiliget werden,
sondern alle unsere werk sollen dem willen Gottes
gemes und der Sabbath dadurch geheiliget werden.

Wir sollen nicht einen bösen, ungehorsamen
gedanken haben, kein ungehorsam wort reden,
kein ungehorsam werk erzeigen gegen unsere
eltern und oberkeit, die uns anstat Gottes für-
gesetzt ist zur zucht und lere, sondern nach
Gott die höchste ehre von unserm ganzen herzen
und innerlichen gedanken, allen worten und
werken beweisen.

Wir sollen nicht einen bösen gedanken haben,
nicht ein bös wort reden, nicht ein werk für-
nemen, dadurch unsers nechsten leib oder leben
beschediget werden möchte, nicht ein zornigen
gedanken haben, nicht ein zornig wort wider
ihn reden, nichts im zorn wider ihn handlen.

Wir sollen nicht einigen unzüchtigen gedanken
noch gelüst haben nach des nechsten weib oder
man, son, tochter, kein unzüchtig wort mit ihm
reden, keine unzüchtige geberde gegen ihm trei-
ben noch mit der that des ehebruchs oder hure-
rey schenden, sondern aller dings keusch, züch-
tig, rein sein in gedanken, in geberden, worten
und werken.

Wir sollen nicht einen gedanken haben nach
des nechsten gut, nichts darnach wider seinen
willen reden, auf keinerley weise und wege ihm
dasselbige unbillich abdringen, sondern mit ge-
danken, worten und werken dahin arbeiten, da-
mit, so viel immer müglich, ein jeder bey seinem
gütlein bleiben möchte, und also mit herzen,
worten und gedanken uns gegen ihme anderst
nicht erzeigen, denn wie wir wolten, das er sich
gegen uns erzeigen solte.

Wir sollen nicht einen gedanken haben, nicht
ein wort reden, noch viel weniger mit der that

61 a. R.: Aller Christen gemeine regel die aller-
vollkomnest regel.

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