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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0409
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Kirchenordnung 1528

id were nicht anders, wen se vohrgeven mit
aflate unde vordenste unde gudeme levende
nach deme schine, we wolde en anders löven?
Wat is doch denne de prachtige lere van öreme
gadesdenste unde hillicheit? Lögene. Wente id
is alle van mynschen erdacht, towedder der
gnaden Gades unde deme blude unses Heren
Jesu Christi.

Darumme hebben se ock eyn brandmal in
ören conscientien. Twyerleye gude conscientien
synt, edder eyne gude conscientie hefft twyer-
leye gut. Int erste, dat se is eyne natürlike
conscientie nach deme natürliken rechte, dat ick
van natur wet, dat ick nicht dohn schal eyneme
anderen, wat ick nicht van eyneme anderen
hebben wil unde dohn, wat ick van em hebben
wil. Darumme hebbe ick eyne conscientie, dat ick
weth, dat id unrecht is, wen ick id anders make.
Ick wil nicht gerne, dat my eyn ander myne
fraue, kyndere, frunde, gut, ehre, lyff beleydige,
unde achte id vor unrecht, wen eyn ander sulk
wolde my dohn. So möt ick jo id ock vor un-
recht achten, wen ick id eyneme anderen wolde
dohn. Sulke conscientie hebben alle lüde, ock
unchristene, van nature, wen se de düvel nicht
so sere verblendede.

Tome anderen, dat se is eyne gotlike con-
scientie edder christlike conscientie nach Gades
wörde, de fruchtet sick, wen se wedder Gades
wört unde dat evangelion Christi gedän hefft;
in allen anderen dingen, de Got nicht bevalen
hefft unde geven deme christeneloven nicht to
schaffen, is se fry unde let sick noch sunde
noch aflat darinne maken.

Daröver is eyne unnatürlike unde ungotlike
edder unchristlike conscientie, welke hebben de
hüchelere, de vamme loven synt afgetreden,
de hefft eyn brandmäl, dat ehr Got nicht natür-

94 = an den Zähnen gebrannt. Das Durchbren-
nen der Zähne war eine alte Strafe für Ver-
brecher, die man am Leibe strafen wollte,
ohne ihnen das Leben zu nehmen, vgl.
J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, 4. Aus-
gabe, Bd II (1899), Nr. 709, S. 268.

95 Vgl. oben S. 137 u. Anm. 78.

lick, ock nicht mit syneme wörde gegeven hefft,
de achtet ketterye to syn, des Frydages flesch
eten, unde datsulvige is doch nicht wedder dat
natürlike gesette, ock nicht wedöer Gades gebot,
ock nicht wedder den christliken loven. Wor-
hehr hefft se denne kregen, dat se sick so
früchtet, dar nicht to fruchtende is? Van düvels-
leren, de geven sulke hillicheit vohr unde is
doch lögene, dar is denne nicht Gades teken,
sonder eyn brandmäl van den düvelsleren jn den
conscientie gebrand, sulke dohn vele lever wed-
der Gott unde Christum, ehr se deden wedder
öre brandmäl, also dat me vind öe lever mit
teyn huren ummegän, wen dat se scholden ne-
men eyne ehelike fraue, lever Gades wort unde
dat evangelion Christi vorachten wen wyewater
unde wyet krüt etc. De conscientie is nicht
natürlick edder gotlick, sonder se is vor Gade
eyne hure, to den tenen gebrand 94 dorch
mynschenlere.

Dat is genoch van der ungelovigen hüchelye
uth deme texte Pauli, nu kame wy wedder up
dat wyent. Paulus secht dar van deme netende
edder gebruke der creaturen unde scheppinge, dat
me se darto bruke, dar se uns Got to ge-
schapen unde gegeven hefft unde danke öme
darvohr, alse Paulus secht [1. Tim 4, 4], dat
nichts to vorwerpen is, dat me netet mit dank-
segginge.

Nu wete wy jo wol, wörto water, vür, lichte,
krudere unde awet van Gade uns geschapen
unde gegeven synt, dat wy se bruken, nicht
darto, dat me dagelike sunde mit wyewater
afneme 95 unde de düvele mede vordrive; ja jo
wy mehr wyewater hedden, jo mehr ock polter-
geiste; edder dat me mit lichten unde krüderen
deme dunre wehre unde tovere mit krüderen
imme bedde unde imme kelre by deme bere 96,

96 Zum Schutz gegen Gewitter sollte vor allem
die an Mariae Lichtmeß (2. Febr.) geweihte
Kerze dienen, die bei Gewitter angezündet
wurde, vgl. A. Franz, Die kirchlichen Bene-
diktionen im Mittelalter. 1909, Bd. I, S. 456,
Bd. II, S. 43. — Auch geweihte Kräuter wur-
den zum Schutz gegen Gewitter im Hause

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