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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0581
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Kirchenordnung 1564

Von besuchung der kranken 06.

Demnach hoch und viel daran gelegen ist, das
ein kranker mensch in seiner krankheit wol
unterrichtet und getröstet werde und solchs
für allen dingen auch ins predigampt gehöret
und den pfarherrn als den seelsorgern zustehet,
so sollen auch alle pastorn aus obliegendem
ampt sich sonderlichen zum höchsten beflei-
ssigen zu wissen, wie sie sich bey kranken halten
sollen, nemlich sie erst unterrichten, da es die
zeit erleiden wil, wie ein Christ seine krank-
heit ansehen sol, warumb ihm dieselbige von
Gott zugeschicket werde, was Gott darinne suche
und wie man sich in solcher krankheit christ-
lich halten solle.

Zum andern die kranken auch nicht allein
gegen die schmerzen und schwacheit des leibes,
sondern auch allerley inwendige anfechtung des
herzen trösten. Denn die zwey stück sein beider-
ley nötig bey kranken leuten, damit sie sich in
ihrer krankheit guts zu Gott versehen lernen
und deste besser zu friede und gedult begeben
mögen.

Und wiewol vor unnötig geachtet, von diesen
stücken an diesem orte weitleuftig zu handeln,
weil sonst von vielen gottfürchtigen, hochge-
lerten leuten davon geschrieben ist, als nemlich
D. Martino Luthero, Urbano Regio, Pfeffingero,
Huberino, Wellero und andern mehr, so wollen
wir doch umb der einfeltigen pastorn willen
eine kleine anleitung vermelden.

Wenn ein pfarherr von einem kranken ge-
fordert wird, ihnen zu unterrichten, zu trösten,
zu absolviren und das heilige sacrament des
altars zu reichen, so sol er sich mit sonderlichem
fleis erstlich erkunden bey den, so umb den
kranken sein, auch von ihm selbs, ob er uber
die leibliche schwacheit auch innerliche be-
schwerung und anfechtunge habe, als ob er
mit befindung seines schwachen glaubens und
unwirdigkeit oder tentatione particularitatis an-
gefochten werde.

Ob er mit betrachtung seiner grossen manig-
faltigen sünden beschweret, ob er mit den

56 Vgl. S. 170 ff. u. die Anmerkungen dort.

schrecken des zorns Gottes, des ewigen todes
und ewigem verdamnis beengstiget, ob er uber
den abschied von dieser welt und den seinen be-
kümmert oder ander dergleichen anfechtung
in seiner conscientien habe.

Wenn er nu also nach solcher fleissiger er-
forschung erfaren, worinne der kranke zum
höchsten angefochten wird, so sol er auch seine
unterrichtung und trost dargegen stellen, damit
er dem patienten solche anligende beschwerung
aus dem sinne bringen müge und doch nicht
viel sprüche auf einen haufen werfen, sondern
wenig und ausserlesene liebliche sprüche füren,
damit sie der kranke, betrübte mensch deste
besser fassen müge.

Es sol aber, indem solchs alles geschicht,
das volk, so im hause versamlet, von dem kran-
ken abtretten, damit der pfarherr mit ihm in
sonderheit und in geheim reden müge.

Nach gethaner und gehörter beicht sol er ihnen
auf sein bitte und begeren im namen und aus
dem befehlich Jhesu Christi absolviern, wie kurz
zuvor vermeldet, und ihn darnach abermals er-
manen zum bestendigen, warhaftigen glauben
auf die zusage Gottes und verdienst Jhesu
Christi, zur gedult, hoffnung und emsigen gebet
im namen Jhesu Christi, und das er jeder-
menniglich, der ihme zu nahe gewesen, gerne
und williglich vergeben solle, gleich als er
wolle, das ihme von Gott widerfaren solle.

Und weil auch billich, das wenn ein kranker
sol communicirt werden, das das gesinde, die
freunde und nachbarn zu dieser action gefor-
dert werden, wie auch bisher die gewonheit
gewesen, so sol solchs allenthalben auch fort-
hin also gehalten werden, damit keine winkel-
mess daraus werden möge, und sol alsdenn nach
gesprochener absolution uber den kranken auch
eine kurze vermanung geschehen an das volk
zum ernstlichen gebet für den kranken auf diese
oder dergleichen forma:

Lieben freunde, demnach wir befinden, das
unser lieber bruder oder liebe schwester in
Christo mit schwerer schwacheit oder grossen

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