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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0701
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Kirchenordnung 1575

Nihil est, quod non gula suadeat, si gulae disci-
plina consentiat, nihil est, quod non perdat luxu-
ria, si amore vitiorum a te disciplina discedat.
Nihil est, quod non habendi cupiditate animus
occupet, nisi avaritiae vitium disciplina condem-
net. Omnia sub moetu disciplinae vitia iacent
etc. Den sunst soll es noch alles nicht gesun-
diget heissen, sundern nur wol gethon sein
und lassen die leute nicht ab zu sundigend und
fallend, so lange das sie zuletzt in abgrund der
hellen vorsinken, darumb es die hohe noth er-
furdert, das solchem bösen und vordamlichen
wesen, soviel muglich, vorgekommen und ge-
steuret werde.

Zum funften, das die frommen vor den bösen
friede haben mugen, dan es seind (wie der Lu-
therus im vorangezeigten buche Von den schlus-
seln sagt 10) unter den Christen etliche rohe,
freche herzen und wilde leute, das die from-
men vor solchen falschen Christen kein ruhe
noch friede haben kunten, wo der bindeschlussel
mit seiner ruten nicht da wehre und eitel gnade
und sicherheit gespuret wurde, hats doch also
noch muhe, wie scherf und groß solche straffe
und urtheil ist. Also ist der eisern und harte
bindeschlussel den frommen Christen ein gros-
ser trost, schutz, maur und burg wider die bö-
sen und doch daneben auch den bösen selbst
eine heilsame arzeney, nutz und frommen, obs
gleich dem fleisch schrecklich und vordrieslich ist.

Zum sechsten, umb grosheit willen der straf-
fen Gottes, die uff das sundliche wesen der men-
schen erfolgen; dan je dieß unleugbar, je mehr
sunde im zwange gehen, je größere straffen
allewege darauf erfolgen und kommen, wie in
den erschrecklichen exempeln der sintflus [!], der
von Sodoma und der Juden besehen ist. So
wir derowegen nicht wollen, das die straffen
geheufet und wir nach vorgemelten exempeln
mit allerley ungelucke uberfallen werden, son-
dern denselben etzljchermassen entlaufen mugen,
so wils die hohe noth erfurdern, das der sunde

und bosheit, so jetzunt leider alzu sehr gemein
ist, etwas begegnet und gesteuret werde.

Zum siebenden, das vielerley grosse erger-
nussen, so vorhanden seind (soviel immer ge-
schehen kan), abgeschaffet und noch etwas guts
erhalten werden muge; dan wo man der sund
und bosheit hinfurder also wird zusehen und
alles, wie böß es auch ist, gutt sein lassen, so
wird man zuletzt nichts guts auf erden behalten,
sondern wird alle sunde und schande zunhemen
und jederman sich darin wie die sau im koth
welzeren und also dem teufel in rachen laufen
wollen; dan wie ein weinig saurteig, als Pau-
lus 1. Corinth. 5. cap. [6] sagt, den ganzen teich
vorsauret, ein reudig schaff den ganzen stall vor-
derbet und ein vorgiftedes glidt den ganzen leib
entzundet, also vorfuhret ein mensche den
andern, wie der David in dem 18. psalm [26]
spricht: Bey den heiligen wirstu heilig sein etc.,
und bey den vorkerten wirstu vorkert sein, und
der Moses Gene. 6 [1—4] bezeuget, das sich alle
böses vor der sintflus [!] daher also geheufet
habe, das die kinder Gottes sich mit den kindern
der ungleubigen vormisschet haben.

Darumb, wie man in einer herde die reudigen
schaffe von den gesunden absondem muß, da-
mit nicht die gesunden von den reudigen vor-
dorben werden, also mussen auch in dem schaff-
stall Christi die reudigen von den gesunden ab-
gesundert werden, damit nicht die von jennen
vordorben werden, und wie man an eines men-
schen leibe die vorgifteden und unheilsamen
glieder von den gesunden muß abschneiden, da-
mit nicht der ganze leib entzundet werde, also
muß man auch in der gemeine Gottes, welche
dem leibe Christi vox’gleichet wird, die unbus-
fertigen sunder von den bußfertigen und from-
men abschneiden, damit nicht die ganze gemeine
geergert und vordorben werde, wie der Herrvon
solchen Matth. 5. [29 f.] und 18. cap. [8 f.] sagt:
Ergert dich dein rechter auge, so reiß es aus und
wirfs von dir, es ist dir besser, das deiner glidt-

10 WA 30 II, S. 504.

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