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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0705
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Kirchenordnung 1575

vorloschet worden ist, sonder soll damit viel-
mehr auf das einige vordienst Christi und selig-
machenden glauben gewiesen werden.

Wo diese dinge dermassen vorrichtet werden,
da seind sie warhaftigen dasjenne, das der hei-
lige Cyprianus davon rhumet, ubi inquit: 17 Quod
disciplina ecclesiastica sola sit fidei ac spei no-
strae retinaculum, custos, itineris salutaris dux,
magistra, fomes et nutrimentum virtutis, quae
facit in Christo et unitate corporis eius semper
manere, iugiter in Deo ad proximi utilitatem
vivere et ad promissa coelestia et divina prae-
mia pervenire, quam sectari salubre, negligere
laetale est, wie dasselb auch der Augustinus in
libro De bono discipnnae oezeuget, üa ehr sagt 18:
Multi sunt qui sanae doctrinae adversantur,
iustitiam culpant et disciplinam imperium esse
iudicant ac rationabilem castigationem super-
biae assignant. Cum non sit imperium, nisi ubi
aliquid iubetur iniustum, nec sit superbia, nisi
ubi negligitur disciplina, disciplina igitur magi-
stra est religionis, magistra verae pietatis, quae
nec ideo increpat, ut laedat, nec ideo castigat,
ut noceat, denique mores hominum irata corri-
git, inflammata custodit. Nihil profecto est, quod
non disciplina aut emendet aut salvum faciat.
Quam si quis sapiens apprehenderit, nec gratiam
amicitiarum perdit, nec periculum damnationis
incurrit. — Qui autem spernit disciplinam, odit
animam. Et vere, ut dixi, ita est. Nam hostis est
et inimicus animae suae, qui spretis disciplinae
monitis diabolicis occupatur officiis.

Und das man wisse, wasserley personen unter
solche kirchenzucht gehören, ist zu merken, das
die alleine und keine andere damit begriffen
werden: 1. Welche nicht richtig in der lehre
seind, sondern etwa einen irthumb gefasset, der
da mit den artickeln des heiligen christlichen
glaubens nicht ubereinstimmet oder sunst mit je-
nigem stucke des heiligen catechismi streitet,

17 De habitu virginum, 1; MSL 4,440 f. CSEL 3,
1,187.

desselben sich bey anderen leuten vomhemen
lest und uff demselben pertinaciter vorharret.
2. So jemand selten oder nimmer zu dem hoch-
wirdigen und heiligen sacrament des wahren
leibs und theuren bluts Christi gehet oder vor-
echtlich von der 'taufe oder von dem abendmhal
des Hern redet. 3. Oder so jemand ein unchrist-
liches, ergerliches, gottloses und böses leben
fuhret und darinne in unbusfertigkeit vorharret.

Solche und keine andere, auch alleine umb die-
ser und keiner anderen ursachen willen soll man,
so lange sie in obgemeltem irthumb oder bos-
heit vorharren und sich nicht sagen oder be-
kehren lassen wollen, nicht vor rechte und
whare Christen, sondern viel mehr vor zollner
und ungleubige halten und aus der gemeine Got-
tes schliessen.

Das auch desto richtiger und ordentlicher mit
den dingen umbgangen und vorfharen werde,
soll man damit ohngefehr einen solchen proces
und ordnung halten:

1. Zum ersten, wen man vormerket, das solche
personen, wie obstehet, vorhanden seind, so sol-
len sie zu dreyen underschiedenen mhalen durch
ihren beichtvatter, soferne einer vorhanden, zu
deme sie ehrmals zur beicht gewesen seind,
oder sunsten durch den pastor der kirchen, dar-
in sie gehören oder der sie ahm negsten woh-
nen oder seind, ihrer sunde erinnert, umb der-
selben willen freundlich und bruderlich mit allem
glimpfe und bescheidenheit gestraffet, zur ernst-
lichen buß und bekehrung aufs allergetreuligst
und vleissigst vormahnet und gelocket werden,
wie der prophet Nathan den könig David [2. Sam
12,1 ff.] umb seiner sunde willen angeredt, ihme
dieselbe durch ein sonderliche gleichnus vor die
augen gestellet und erinnert hat und wie der
heilige bisschoff Ambrosius, nachdem ehr von
dem grossen mord, zu Thessalonica begangen,
gehöret, ahn den keyser Theodosium geschrie-

18 Pseudo-Augustin (Valerian v. Cemele), Sermo
de bono disciplinae, 1; MSL 40, 1219. MSL 52,
691.

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