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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0707
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Kirchenordnung 1575

haben und hören, das sie dadurch zur busse und
bekehrung bewogen werden.

3. Man soll sie auch nicht ganz und gar fur
veinde halten, sondern so lange hoffnung vor-
handen sein mag, sie zur busse vormhanen und
anhalten, wie 2. Thessa. 3 [15] geschrieben stehet:
Doch haltet ihn nicht als einen veind, sondern
vormhanet ihn als einen bruder.

4. Darumb muß man sie auch nicht von bur-
gerlichen hendlen, als kaufen und vorkaufen
und dergleichen, absundern.

5. Auch mussen sich die Christen ihrer nicht
ganz und gar eusseren und entschlagen, son-
dern mussen dennoch mit ihnen etzlichermassen
gemeinschaft haben in besondern leibs notturf-
tigen diensten, die sie ihnen leisten und von
ihnen widerumb gebrauchen, dan man auch den
viend lieben, speisen und trenken soll, damit sie
nicht, wan man sie gar vorstossen oder genzlich
nicht leiden wolte, in vorzweifelung fallen oder
vorzagen, sondern noch hoffnung behalten mugen.

Wo man derowegen einige zuvorsicht haben
mag und gelegenheit sicht, sie zur busse zu be-
wegen, da soll man keinen vleiss sparen, son-
dern alles, was eusserlich dazu dienen kan, ge-
brauchen, es sei essen, trinken oder anders, wie
dan unser Herr Christus das selbst gethon hat,
da ehr mit den Samariten und andern offent-
lichen und deshalben von Godt gebanneten sun-
dern gegessen und getrunken hat.

Doch aber muß man hirinne auch sehr vorsich-
tig handelen und woll zusehen, das sie dadurch
in ihren sunden nicht mehr gesterket als zur
busse gereizet werden, und wo man das vor-
merket, so viel lieber und rnehr genzlich vor-
meiden, keine auch die geringste gemeinschaft
nicht mit ihnen haben, sondern gar vor abge-
schnittene glidtmassen halten.

Darumb, wo unter solchen halstarrigen und
muttwilligen einer befunden wird, welcher irrige
lehre unter das volk aussprenget, der soll der
obrigkeit namkundig gemacht werden, damit

21 Vgl. Einleitung, S. 627.

21a Druckvorlage: „kiemand“.

22 De poenitentia I, 16,90; MSL 16,493 f.

ehr nach dieser sechs wendischen stedte decreto,
so sie anno 1535 gemacht 21 und anno 1555 ge-
repetieret und erneuert haben, der stadt vor-
wiesen werden. So auch einer in solchen offent-
lichen groben sunden leben wurde, welche der
obrigkeit zu straffen geburet und doch unge-
straffet pleiben wurde, alsdan soll dieselbe iux-
ta ministerii leges ihres ampts mit aller freund-
ligkeit und bescheidenheit vormanet werden.

Wurde aber auch ein solcher offentlicher hal-
starriger sunder in seinen sunden in unbusfer-
tigkeit hinsterben und vor seinem ende sich
nicht bekeren, denselben soll man mit keinen
schulern zur erden bestetigen lassen, soll auch
niemand 21a aus dem ministerio mit ihme zur be-
grebnus gehen. So sich aber ein solcher bey ge-
sunden tagen zu Godt dem Hern zu bekeren und
mit der heiligen christlichen kirchen, so ehr mit
falscher lehre oder mit seinem bösen leben zu-
vor geergert, widerumb zu vorsuhnen begeren
wurde, der soll nicht also balde schlechterweyse
wie ein ander angenohmen, sondern nach ge-
legenheit und mit rath des ganzen ministerii
nach dem alten kirchengebrauche, den der Am-
brosius lib. 1. De poenitentia cap. 16 beschrei-
bet, 22 einmhal oder zwei abgewiesen und zu-
letzt in beysein aller diener der kirchen, darin
ehr gehöret oder zur beicht gehet, und der kirch-
geschwornen daselbst oder zweyer oder dreyer
anderer glaubwirdiger personen als zeugen
kegenwertigkeit dermassen angenommen wer-
den, das ehr vor denselben seine sunde offent-
lichen zustehe, bekenne, das sie ihme von grund
seines herzen leid seind, und mit hande und munde
anlobe und vorspreche, das ehr sich ernstlichen
besseren und bekeren und rechtschaffene, wahre,
christliche busse thuen wolle, wie der rom.
kayser Philippus nicht ehe widerumb von dem
bisschoffe zur communion zugelassen worden,
priusquam talem exomologesin fecisset et signa
verae poenitentiae aedidisset, wie Ecclesiasticae
historiae lib. 6, cap. 25 23 zu sehen ist, sanc-

23 Euseb, Historia ecclesiastica VI, 34; MSG 20,
596. Schwartz, S. 251.

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