Geleitwort von Stephan Harbarth
die Wirklichkeit des hilfsbedürftigen, auf den anderen Menschen angewiesenen
Freiheitsberechtigten" aus den Augen verlieren.10 Der Staat kann sich in seiner
Freiheitsverantwortung nur zurücknehmen, wenn die freiheitsberechtigte Gesell-
schaft aus sich heraus ihre Kultur zur Entfaltung bringt, wirtschaftlich ihre Be-
dürfnisse befriedigt, sie ihre Eiwartungen weniger auf den Staat richtet, vielmehr
die Suche nach dem individuellen Glück dem einzelnen Menschen überantwor-
tet.11 Denn private Initiative und private Verantwortung bleiben bei Paul Kirchhof
„der wichtigste Impuls, um allgemeine Prosperität zu fördern und damit auch die
Grundlagen des Finanzstaates zu festigen".12 Ähnlich konstatiert er für den Bereich
der Familie: Ein Staat ohne Familien kann kein freiheitlicher mehr sein. Wenn
Sprache, Literatur, Musik, Lebenssicht und Einsichtsfähigkeit den Kindern nicht
mehr von ihren Eltern vermittelt, sondern die Lebensperspektiven ausschließlich
von staatlichen Einrichtungen vorgezeichnet würden, würde die freiheitliche Ge-
sellschaft in einer Grundkonformität verkümmern.13
Damit wird das Freiheitsrecht für Paul Kirchhof eben nicht zum „Recht zur
Beliebigkeit", sondern zum „Recht zur Bindung"14 und „wirkt als Grenze und So-
zialbindung der Freiheitsrechte".15 Freiheit und Gleichheit derart zusammenge-
dacht gewährleisten auch das Recht eines jeweils in Würde Gleichen, sich in seinen
individuell und selbstbestimmt geschaffenen Lebensbedingungen von anderen
Menschen unterscheiden zu dürfen und bewahrt die Demokratie somit vor einer
Radikalisierung des Gleichheitsgedankens.16
Eine Kultur der Freiheit, wie der Jubilar sie anmahnt, bedingt eine gelingende
Sprache. Wie kaum ein anderer weist Paul Kirchhof unermüdlich auf die untrenn-
bare Verknüpfung von Sprache, Recht und Freiheit hin - vielleicht auch gerade
deswegen besonders leidenschaftlich, weil „seine" Teilrechtsordnung, das Steuer-
recht, ihm in dieser Hinsicht nicht nur Glücksmomente beschert. Er mahnt eine
gelingende Rechtskommunikation an17 und lebt sie vor. Er versteht es, komplexe
Sachverhalte und Rechtsfiguren mit mitreißenden Metaphern18 und glänzenden
10 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, 2004, S. 67.
11 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, 2004, S. 45.
12 Kirchhof, Eigentum als Ordnungsidee - Wert und Preis des Eigentums, in: Stiftung Gesell-
schaft und Rechtspolitik (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2004/1, S. 15, 42.
13 Kirchhof, Kommt die Familie zu Ihrem Recht, in: Mayer/Schulte (Hrsg.), Die Zukunft der
Familie, 2007, S. 117 < 125>.
14 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, Paderborn, München u.a., 2004,
S. 61 ff'
15 Kirchhof, Der Allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/Kirchhof HStR V, 1992, § 124
Rn. 158 ff. <159>.
16 Kirchhof, Der Allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/Kirchhof HStR V 1992, § 124
Rn. l58 ff.
17 Vgl. nur Kirchhof, Deutsche Sprache, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 20
Rn. 23 ff.
18 So die musische und religiöse Bildung als „Humus des Verfassungsbaums" (aus Kirchhof,
135
die Wirklichkeit des hilfsbedürftigen, auf den anderen Menschen angewiesenen
Freiheitsberechtigten" aus den Augen verlieren.10 Der Staat kann sich in seiner
Freiheitsverantwortung nur zurücknehmen, wenn die freiheitsberechtigte Gesell-
schaft aus sich heraus ihre Kultur zur Entfaltung bringt, wirtschaftlich ihre Be-
dürfnisse befriedigt, sie ihre Eiwartungen weniger auf den Staat richtet, vielmehr
die Suche nach dem individuellen Glück dem einzelnen Menschen überantwor-
tet.11 Denn private Initiative und private Verantwortung bleiben bei Paul Kirchhof
„der wichtigste Impuls, um allgemeine Prosperität zu fördern und damit auch die
Grundlagen des Finanzstaates zu festigen".12 Ähnlich konstatiert er für den Bereich
der Familie: Ein Staat ohne Familien kann kein freiheitlicher mehr sein. Wenn
Sprache, Literatur, Musik, Lebenssicht und Einsichtsfähigkeit den Kindern nicht
mehr von ihren Eltern vermittelt, sondern die Lebensperspektiven ausschließlich
von staatlichen Einrichtungen vorgezeichnet würden, würde die freiheitliche Ge-
sellschaft in einer Grundkonformität verkümmern.13
Damit wird das Freiheitsrecht für Paul Kirchhof eben nicht zum „Recht zur
Beliebigkeit", sondern zum „Recht zur Bindung"14 und „wirkt als Grenze und So-
zialbindung der Freiheitsrechte".15 Freiheit und Gleichheit derart zusammenge-
dacht gewährleisten auch das Recht eines jeweils in Würde Gleichen, sich in seinen
individuell und selbstbestimmt geschaffenen Lebensbedingungen von anderen
Menschen unterscheiden zu dürfen und bewahrt die Demokratie somit vor einer
Radikalisierung des Gleichheitsgedankens.16
Eine Kultur der Freiheit, wie der Jubilar sie anmahnt, bedingt eine gelingende
Sprache. Wie kaum ein anderer weist Paul Kirchhof unermüdlich auf die untrenn-
bare Verknüpfung von Sprache, Recht und Freiheit hin - vielleicht auch gerade
deswegen besonders leidenschaftlich, weil „seine" Teilrechtsordnung, das Steuer-
recht, ihm in dieser Hinsicht nicht nur Glücksmomente beschert. Er mahnt eine
gelingende Rechtskommunikation an17 und lebt sie vor. Er versteht es, komplexe
Sachverhalte und Rechtsfiguren mit mitreißenden Metaphern18 und glänzenden
10 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, 2004, S. 67.
11 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, 2004, S. 45.
12 Kirchhof, Eigentum als Ordnungsidee - Wert und Preis des Eigentums, in: Stiftung Gesell-
schaft und Rechtspolitik (Hrsg.), Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2004/1, S. 15, 42.
13 Kirchhof, Kommt die Familie zu Ihrem Recht, in: Mayer/Schulte (Hrsg.), Die Zukunft der
Familie, 2007, S. 117 < 125>.
14 Kirchhof, Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit, Paderborn, München u.a., 2004,
S. 61 ff'
15 Kirchhof, Der Allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/Kirchhof HStR V, 1992, § 124
Rn. 158 ff. <159>.
16 Kirchhof, Der Allgemeine Gleichheitssatz, in: Isensee/Kirchhof HStR V 1992, § 124
Rn. l58 ff.
17 Vgl. nur Kirchhof, Deutsche Sprache, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 20
Rn. 23 ff.
18 So die musische und religiöse Bildung als „Humus des Verfassungsbaums" (aus Kirchhof,
135