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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0014
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Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im Mittelalter 1 13

tionskraft religiöser Gemeinschaften eigentlich? War es die Spiritualität der
geistlichen Kreise oder lag das Innovationspotential ganz einfach darin begrün-
det, dass sich in Klöstern überdurchschnittlich gebildete und kulturell versierte
Menschen zusammenfanden? Oder war es die besondere Position von Klöstern
als „Relaisstation zwischen Gott und Welt"?12 Während diese Überlegungen
den Blick zunächst auf die Innovationsgestalter und somit die „agency" lenken,
werfen sie zugleich die Frage nach der Nachhaltigkeit, der Akzeptanz und somit
der gesellschaftlichen Relevanz möglicher Innovationsleistungen auf: Wie viele
Menschen müssen von Innovationen „betroffen" sein, um den Gebrauch des
Begriffes zu legitimieren?
Um diese Fragen zu beantworten, ist es nötig, nicht nur „fertige Ergebnisse"
als (vermeintliche) Innovationen in den Blick zu nehmen, sondern auch die
dahinterstehenden Prozesse, die zur Durchsetzung oder gegebenenfalls auch
zum Scheitern von Ideen führen. Auf diese Weise wird nicht nur den „Erfolgs-
geschichten", sondern auch dem möglichen Scheitern von Neuerungsprozessen
Raum gegeben.13
Wir schlagen deshalb den Begriff der „kreativen Impulse" vor: Der Impulsbe-
griff impliziert zunächst nur den Anstoß von Dynamiken, die nachhaltige Wir-
kung entfalten können oder auch nicht. Zusätzliche Schärfe verleiht ihm das
Attribut „kreativ": Unter „Kreativität" lassen sich „Formen menschlicher Akti-
vität bezeichnen, die neu und wertvoll sind." Diese Definition rückt soziale Re-
flexionsmechanismen in den Mittelpunkt, sind doch „Neuheiten, die aus einer
Wertschätzung herausfallen, [...] keine kreativen Leistungen, sondern nur zufäl-
lige Änderungen."14 Dadurch wird sowohl die Prozesshaftigkeit als auch der
Rezeptionskontext von Kreativität akzentuiert, umfasst sie doch „nicht nur das

12 Gert Melville, Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen, Mün-
chen 2012, S. 9: „Die klösterliche Welt verstand sich gleichsam als Relaisstation zwischen Gott
und Welt. Durch Gebet, Predigt und Vermittlung von Wissen wollte sie Gott und die Men-
schen einander näherbringen. Durch Sorge um die Kranken, die Armen und die Vergessenen
versuchten die Menschen in den Klöstern, Christus nachzufolgen und die Botschaft der
Nächstenliebe durch ihr eigenes musterhaftes Beispiel zu verkünden. Die Klöster waren ein
effizientes Grundmodul jener Kultur des Mittelalters, in der die Wurzeln der Moderne liegen."

13 Vgl. hierzu die methodischen Diskussionen in folgenden Publikationen: Scheitern. Aspekte
eines sozialen Phänomens, hg. von Matthias Junge, Wiesbaden 2004; Fiasko - Scheitern in der
Frühen Neuzeit: Beiträge zur Kulturgeschichte des Misserfolgs, hg. von Stefan Brakensiek/
Claudia Claridge (Histoire 64), Berlin 2015; Im Scheitern lernen - zur Zukunftsfähigkeit
von Systemen, hg. von Axel SCHAFFER/Eva LANG/Susanne Hartard, Marburg 2018.

14 Karl-Heinz Brodbeck, Neue Trends in der Kreativitätsforschung, in: Psychologie in Öster-
reich 4&5 (2006), S. 246-253, hier S. 248. Entsprechend wird „destruktives Handeln", das
zwar durchaus neuartige Elemente enthalten kann, nicht als kreativ kategorisiert: Karl-
Heinz Brodbeck, Entscheidung zur Kreativität. Wege aus dem Labyrinth der Gewohn-
heiten, Darmstadt 2007, S. 18.
 
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