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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Editor]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0241
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240 I Leonie Silberer

Wohl erkennt der Autor die Diskrepanz zwischen den von den „heiligen Vä-
tern" gelobten kleinen Häuschen und Unterkünften und den hohen und großen
Ordenshäusern, den kostspieligen Kirchen und den großen Arealen des Or-
dens.12 Er rechtfertigt die städtischen Niederlassungen mit der Nähe zu den
Menschen, die Größe der Grundstücke mit der Notwendigkeit eines Gartens
für die auch spirituelle (Nah-)Erholung der Brüder:13 Anders als weltliche Per-
sonen, die viel umherschweiften, bräuchten die sonst an ihre Zellen gebundenen
Religiösen Erholung an der frischen Luft (gemeint ist hier offenbar: innerhalb
ihres Klosters), um ihre geistigen und geistlichen Fähigkeiten nicht zu verlie-
ren.14 Von großer Bedeutung waren demnach sowohl die Nähe zu den Menschen
mit dem Ziel ihrer spirituellen Versorgung als auch der Rückzug und Erholung
im Rahmen der Konventsgemeinschaft und in Rückbindung an die Zelle als
kleinste räumliche Einheit. Diese beiden, auf den ersten Blick widersprüchli-
chen Elemente franziskanischen Lebens sind für die Interpretation ihrer Klos-
terstrukturen von großer Bedeutung. Die Begründung der Notwendigkeit von
Klostergebäuden und -räumen folgt einer traditionellen Auffassung von Kloster-
architektur: Durch die Strukturierung des Klosters in diverse Räume wüssten
die Brüder, wo zu schweigen, wo zu sprechen, wo zu beten, wo zu arbeiten, wo
zu lesen, zu schreiben, zu schlafen oder zu essen, wo der Erholungsort der
Kranken und der von Arbeit und Wanderschaft Ermüdeten sei, und wo der Ort
alles Weiteren in Gemeinschaften Notwendigen. In drastischer Weise formuliert
der Autor drohende negative Folgen bei Verwirrung unter den Brüdern und
Nichteinhaltung von Disziplin, Ruhe, Andacht und Ordnung für den Orden,
aber auch für Seelenheil und Erbauung anderer.15 Er liefert so ein wichtiges zeit-

12 Item quaero: cum sancti Patres laudentur in casellis et in vilibus habitaculis habitasse, quid
est, quod vos altas et magnas domos erigitis et oratoria sumtuosa [sic] et areas latas magno
pretio comparatis, cum sitis pauperes et mendici et contemptores mundanorum esse debeatis?
Bonaventura, Determinationes (wie Anm. 10), S. 341.

13 Quod si intra muros habitamus, ubi propter frequentiam populi areae cariores sunt, oportet,
etnos areas carius emere, quantum sufficiant pro claustro, oratorio, et officinis congruis pro
conventu, hospitibus et infirmis, et horto herbarum, tarn pro pulmentario quam pro aeris
recreatione, ut infirmire focillentur, et sani conserventur, et lassi in spiritualibus studiis recre-
entur. Bonaventura, Determinationes (wie Anm. 10), S. 341.

14 Saeculares enim, quifrequenter vagantur, domi non indigent recreatione aeris; Religiosi vero,
qui in cellarum reclusoriis religantur, nisi aliquam interius habeant aeris recreationem, cito
languescentes tabescunt et ad studia spiritualia inhabiles efficiuntur, ita quod nec sibi nec
aliis proficiunt in devotionis internae profectu, in sapientiae intellectu, in virtutum exemplis
et in doctrina salutis. Bonaventura, Determinationes (wie Anm. 10), S. 341.

15 Et quamvisperfectis omnis locus aptus sit pro disciplinae internae exercitiis, imperfectis tarnen
et adhuc indigentibus eruditione virtutis opus est etiam exteriori distinctione officinarum
claustralium, ut sciant, ubi tacere debeat, ubi loqui liceat, ubi orare, ubi laborare, ubi legere,
scribere, dormire vel comedere, ubi sit requies infirmantium, ubi repausatio de labore itineris
 
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