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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0394
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Königseinflüsterer oder Regierungsberater? I 393

seine Übersetzung nicht bezahlt, sondern vom König legitimiert, was ihm den
weiteren professionellen und sozialen Aufstieg im königlichen Dienst erlaubte.
Der Übersetzer stellt in seinem Prolog klar, dass er, im typischen Übersetzer-
Topos, eigentlich zu alt, nicht gut genug und mit zu vielen anderen Sachen be-
schäftigt sei, um wirklich ein Werk dieses Kalibers zu übersetzen, doch schließ-
lich tue er es auf ausdrücklichen Auftrag des Königs - und vor allem für das
Allgemeinwohl. Hier wurde der theologische Text „royalisiert": der Prolog un-
termalt die Ursprünge der königlichen Dynastie, von Gott selber unter allen
Dynastien ausgewählt bei der Krönung mit dem Chrisam der heiligen Ampulle
gesalbt zu werden. Es ist diese Übersetzung eines Kirchenvaters durch einen
Bürgerlichen, die die meiste Verbreitung findet und geradezu zu einem „Identi-
tätsmarker" der Zugehörigkeit im kulturellen, sozialen und politischen Milieu
der Monarchie avanciert.74
Eine Autorin wie Christine de Pizan verfasste militärische, beratende wie
auch moralische Werke für Karl VI., seine wechselnden Kronprinzen und Re-
gierungsführer in der „Abwesenheit" des Vaters, die Königin Isabella von
Bayern; vor allem aber für die Onkel des Königs Karls VI., den eigentlichen
Strippenziehern der Politik: Mit der Beschreibung der guten Regierungszeit
Karls V. in ihrer panegyrischen Biographie des bereits seit zwanzig Jahren
verstorbenen Königs hatte Christine de Pizan sicher vor allem die wettstrei-
tenden Herzöge im Blick, denen Karl V. als weises Modell dienen sollte.75 Sie
verfasste zwischen 1404 und 1407 den Livre du corps de policie für den Thron-
folger, der sich mit der Erziehung des Prinzen, sodann mit seinen Pflichten
und dem Grundriss für eine gute Regierungsausübung befasste.76 Diesen Ge-
danken nahm sie auch in ihrem Fürstenspiegel Livre de la paix wieder auf, den
sie ab 1412 verfasste und in dem sie an den Thronfolger appellierte, den Frie-
den sowohl innenpolitisch mit den Herzögen wie auch außenpolitisch mit
dem englischen König für die chose publique zu wahren.77 Sie brachte ihre
beratende Stimme auch auf einem anderen Terrain erfolgreich ein: Ihr militär-

74 Paraphrasiert nach Elisa Brilli, La Cite de Dieu francese e isuoi cicli miniati, in: Iconogra-
fia agostiniana, Bd. 1, hg. von Alessandro CosMA/Valerio Da GAi/Gianni Pittiglio, Rom
2011, S. 53-88, hier S. 65; vgl. auch Blaise Dufal, Repenser l'autorite du Pere: Saint Augustin
et le De civitate Dei au XlVe siecle, unpublizierte Dissertation, EHESS Paris 2014 (liegt der
Autorin vor).

75 Jacques Krynen, L'empire du roi. Idees et croyances politiques en France, XIIIe-XVe siecle,
Paris 1993, S. 200f.

76 Vgl. Krynen, Empire du roi (wie Anm. 75), S. 201.

77 Der Empfänger, dauphin Ludwig von Guyenne, verstarb jedoch 1415 im Alter von 15 Jahren.
Zu Christine de Pizans Fürstenspiegel, vgl. Krynen, Empire du roi (wie Anm. 75), S. 202.
 
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