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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Editor]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0411
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410 I Vaclav Zurek

heiligen Wenzel - unterstützt wurde. Es handelte sich hier um Werke, die die
offizielle Version der Geschichte der Böhmen oder der Zeitgeschichte der Lu-
xemburger (die ruhmvolle Herkunft und der Aufstieg des Kaisers) formulieren
und vermitteln. Ob dieses Schaffen mit einem offiziellen Auftrag zusammen-
hängt oder ob es um eine kulturelle Innovation der Religiösen geht, kann mit
unserem Erkenntnisstand nicht entschieden werden.
Als Vergleich und zugleich als Nachweis der (Dis-)Kontinuität kann die Si-
tuation unter Karls Nachfolger Wenzel IV. (1378-1419) dienen. Die Geogra-
phie der Orte des Wissens in Prag ändert sich kaum und nur langsam. Was sich
aber änderte, war die Einstellung des Herrschers - und dadurch änderten sich
auch die Beziehungen zwischen dem Hof und den Klöstern. Einerseits entfal-
tete sich die Prager Universität zu einem wirklichen Studium generale, an dem
die Ordensvertreter und die Theologische Fakultät ihre ursprüngliche bedeut-
same Stellung einbüßten, andererseits hatte Wenzel persönlich kein großes
Interesse an religiösen Themen wie öffentlicher Frömmigkeit oder religiöser
Erbauungsliteratur, und war allgemein den religiösen Gemeinschaften wenig
zugeneigt. Wenn überhaupt, suchte er seine geistlichen Berater unter den
Absolventen und Mitgliedern der Universität. Die Verflechtungen zwischen
den Prager Ordenshäusern und dem königlichen Hof verloren ihre vormalige
Bedeutung.
Ein gutes Beispiel stellt die Prager Kartause dar. Das von König Johann dem
Blinden im Jahr 1342 gegründete Kloster, dessen langjähriger Prior Johannes
Castoris ein Vertrauter Kaiser Karls war, verlor nach dessen Tod die Verbin-
dung zum Hof. Der Kartäuser Michael von Prag, der in seiner Prager Zelle im
Jahr 1387 einen Fürstenspiegel (De quatuor virtutibus cardinalibus pro erudi-
tione principum) für Ruprecht II. von der Pfalz verfasste, nahm sich nicht mehr
den regierenden Herrscher als Vorbild und beriet sogar seinen politischen
Gegner. Im Gegenteil, dieses insgesamt ziemlich konservative und wenig ori-
ginell als Dialog aufgebaute Werk enthält vielmehr versteckte Kritik am Zu-
stand von Land und Reich unter König Wenzel. Möglicherweise waren für die
Widmung dieses Werkes an den pfälzischen Kurfürsten nicht nur die sehr
lauen Beziehungen des Verfassers zu dem Luxemburger auf dem Thron, son-
dern auch Wenzels Ansichten zum Großen Schisma verantwortlich. Während
Ruprecht von der Pfalz ein überzeugter Parteigänger des römischen Papstes
war, lavierte Wenzel IV. zwischen beiden Päpsten. Auf der anderen Seite er-
lebte beispielsweise die volkssprachliche Literatur in der Zeit unter der Regie-
rung Wenzels IV. eine wirkliche Blüte. Nicht zufällig wurde die Übertragung
der bedeutenden oben genannten „Propaganda"-Werke und Legitimierungs-
narrative ins Tschechische zum großen Teil in seiner langen Regierungszeit
verwirklicht. Das hängt jedoch schon nicht mehr mit dem Schicksal und der
 
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