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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0067
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DAS YM SELBS

63

Mer über 110 das der glaub in uns uffricht das gäntzlich vertrawen in
Christum, widerbringt und stellet er uns auch in die rechte und göttlich
ordnung, in die wir geschaffen | seind. die wir auch durch solchs ver-
trawen erlangen und entpfahen sein geist, der uns sichert, das wir gottes
5 kinder seind. Daruß volget, das wir im gern in aller liebthot gegen
unsern nechsten, das er am höchsten von den seinen fordert, dyenen
und wilfaren. Dieweil wir doch als kinder und erben gottes für uns
selb selig seind, das ist gewisß, das wir hye und in künfftigem kein
mangel leiden mögen, so haben wir auch dise fürdernüß, zu dyenen
10 unsern brüdern in aller trewe und ungeferbter lieb uß dem glauben111,
das, so wir auß der schrifft lernen, das wir von natur kinder des zorns
seind und deßhalb unwürdig, das uns yemant dyene, sonder, dieweil
uns der herr verheissen hat, er wölle annemen, was wir sein wenigisten
thüen, als hetten wirs im gethon, und allen den barmhertzigkeit gedeyhen
15 lassen, die barmhertzigkeit, die er will und nit das opfer, iren nechsten
beweysen, verursacht werden, uns von hertzen zu freüwen, das uns
doch gebüre, unsern nechsten zu dyenen und ynen alle barmhertzigkeit
beweisen, domit wir doch ein wenig uns danckbar unserm aller gnedigsten
vatter und heyland erzeigen und weiter seiner barmhertzigkeit mit
20 getröstem hertzen warten dörffen. dieweil wir doch etwas seins willens
zu thun uns befleyssen.
Ferner wie allein der glaub die unmäßlich guthät112 unsers herren und
erlösers Jhesu Christi recht erkennt und ermesßet, also hat er sye auch
stäts in frischer gedechtnüß und betrachtung. daruß dann volgen musß,
25 das der gläubigp mensch gantz gesynnt werde, wie er sicht, Christum
gesynnet gewesen sein. Nemmlich das er, ob er wol in göttlicher gestalt
was, hat ers nit ein raub geacht, gott gleich sein, sonder hat sich selbs geeüssert
und die gestalt des knechts angenommen, ist worden gleich wie ein ander mensch
und an geberden als ein mensch erfunden, hat sich selbs ernidert und | ist gehorsam
30 worden bißzum tod, ja zum tod am creütz .Dises so ein gläubig hertz bedenckt,
würt es also entzünt in liebe zu seinem heyland und herren, das es yetzt
sich sein selb gantz verleücknet und enteüssert und denckt: ist der ewig
sun gottes, dein herr und heyland, nit kummen, das man im dyente,

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Ephe. ii. [3]

Mat. xxv. [40]
Matth, v. [7]
Osee vi. [6]

Philip, ii. [5-8]

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p) gläubitg.
Selbstverleugnung zum Gradmesser des Glaubens erklären konnte (vgl. S. 65, Z.4ff.),
so hat er doch nie einen Zweifel darüber gelassen, daß alle guten Werke, die diesen
Namen verdienen, nicht verdienstliches Menschentun sind, sondern Gottes Ge-
schenk. In seinem Römerbrief-Kommentar (Bibl. Nr. 55) sagt B. ausdrücklich:
»... haec ipsa bona Opera sanctorum, quibus Deus gloriam rependit, idem (scil.
Augustinus) dicit ipsius Dei dona esse. Etenim illa ipsa iustitia et bona Opera, quae
in nobis Spiritus Christi operatur, testimonium sunt illius nostrae apud Deum gratuitae
acceptationis« (Praef., S. 14a).
110. Überdies. in. Vgl. 2 Cor 6,6. 112. Vgl. Einleitung, Anm. 13.
 
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