94
MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
C 3 b Sein werck ist, frumm machen und als | ein gnädiger vatter uns guts
thun. Aber dieweil wir uß boßheit unser verderbten natur, so er uns
stäts guts thut und das unser natur angenem ist, so werden wir lasß93
verlassen und auch vermessen, belustigen uns mer in den gütern und
goben gots, dann in gott selb. Domit wir yn dann erkennen lernen und 5
uns selb, so musß er uns seine guthat und goben nit allein leiblich, sonder
auch geistlich entzyehen undertweilen, uff das wir lernen weder uff uns
nach entpfangen göttlich goben, sonder allein uff gott uns trösten und
uns seiner bloßen zusag halten, ob auch schon von ym nichts dann
zorn und ungenad erschyne und wir in uns nichts dann sünd fülten. 10
Wie Paulus sollen wir uns in schwacheite rhümen, uff das in uns
die krafft Christi wonet94.
XVII
ii. Cor. xii. [7—8]
Ibidem. [9-10]
C 4 a
Also was auch Paulo ein pfal ins fleisch geben, des sathans engel, der yn
mit füsten schlug, und diß was gott ein frembd werck, aber darumb
fürgenommen, das er kem zu seinem werck, das was, sein gnad so groß 15
erzeigen, das, wiewol nichs dann schwacheit do was, doch Paulus durch
die einig krafft Christi starck in allem leiden und anfechten erhalten würd.
Und darumb, als er dreymal dem herren geflehet hett, das des sathans
engel von ym trete, warde ym zu antwurt: Lasß dich genügen an meiner
gnad, dann kraft würt durch schwacheit stercker. Daruff schribt Paulus den 20
Corinthiern: Darum will ich mich am aller liebsten rhümen meiner schwachheit,
uff das die krafft Christi in mir wone. Darum dunck ich mich gut in schwachheiten,
in schmachen, in nöten, in verfolgen, in ängsten umb Christus willen. Dann wann
ich schwach bin, so bin ich starck. Also, lieben brüder, werden ir auch
gesynnet sein, so ir recht glauben dadurch Christi sein und sein geist 25
haben. Ewer fleisch mit sein lüsten werdt ir creützigen und | ynen kein
fürgang95 lassen; und darzu, was an eüwer casteyung, die dann nit stot
in underscheit der speiß, zeit oder stetten, sunder in worem abrechen
fleischlicher lust, es sey mit entzyehung der speiß, des schlaffs, andern
lustbarkeytenf oder was zu zämen unser bösen begird dyenen mag, 30
c) schmachheit. - f) lustbarbeyten.
93. Lasch.
94. In den Abschnitten 17-20 ist B. inhaltlich und terminologisch von der deut-
schen Mystik beeinflußt. Wir stellen zusammen: Gott stillhalten; einen wahren
Sabbath und Feier halten; Kind Gottes; dem Göttlichen Raum geben; Christus soll
in uns aufgehen, Adam untergehen; das Unsere soll zu Grunde gehen; vergotten;
des Göttlichen allein gewarten; des Trostes der Creaturen entblößt sein. Bs. Quelle
ist vermutlich die von Luther 1518 vollständig herausgegebene » Ein deutsch Theologie«
(ed. H. Mandel, Quellenschriften z. Gesch. des Protestantismus, Heft 7, Leipzig 1908);
aus der Vorrede Luthers (WA 1,378-379) zitiert B. in Anlage 6, S. 312, Z. 31. Vgl. B.s
»Das ym selbs ...«, ed. Strohl, S. 41, Anm. 8.
95. Fortgang, Fortschritt.
MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
C 3 b Sein werck ist, frumm machen und als | ein gnädiger vatter uns guts
thun. Aber dieweil wir uß boßheit unser verderbten natur, so er uns
stäts guts thut und das unser natur angenem ist, so werden wir lasß93
verlassen und auch vermessen, belustigen uns mer in den gütern und
goben gots, dann in gott selb. Domit wir yn dann erkennen lernen und 5
uns selb, so musß er uns seine guthat und goben nit allein leiblich, sonder
auch geistlich entzyehen undertweilen, uff das wir lernen weder uff uns
nach entpfangen göttlich goben, sonder allein uff gott uns trösten und
uns seiner bloßen zusag halten, ob auch schon von ym nichts dann
zorn und ungenad erschyne und wir in uns nichts dann sünd fülten. 10
Wie Paulus sollen wir uns in schwacheite rhümen, uff das in uns
die krafft Christi wonet94.
XVII
ii. Cor. xii. [7—8]
Ibidem. [9-10]
C 4 a
Also was auch Paulo ein pfal ins fleisch geben, des sathans engel, der yn
mit füsten schlug, und diß was gott ein frembd werck, aber darumb
fürgenommen, das er kem zu seinem werck, das was, sein gnad so groß 15
erzeigen, das, wiewol nichs dann schwacheit do was, doch Paulus durch
die einig krafft Christi starck in allem leiden und anfechten erhalten würd.
Und darumb, als er dreymal dem herren geflehet hett, das des sathans
engel von ym trete, warde ym zu antwurt: Lasß dich genügen an meiner
gnad, dann kraft würt durch schwacheit stercker. Daruff schribt Paulus den 20
Corinthiern: Darum will ich mich am aller liebsten rhümen meiner schwachheit,
uff das die krafft Christi in mir wone. Darum dunck ich mich gut in schwachheiten,
in schmachen, in nöten, in verfolgen, in ängsten umb Christus willen. Dann wann
ich schwach bin, so bin ich starck. Also, lieben brüder, werden ir auch
gesynnet sein, so ir recht glauben dadurch Christi sein und sein geist 25
haben. Ewer fleisch mit sein lüsten werdt ir creützigen und | ynen kein
fürgang95 lassen; und darzu, was an eüwer casteyung, die dann nit stot
in underscheit der speiß, zeit oder stetten, sunder in worem abrechen
fleischlicher lust, es sey mit entzyehung der speiß, des schlaffs, andern
lustbarkeytenf oder was zu zämen unser bösen begird dyenen mag, 30
c) schmachheit. - f) lustbarbeyten.
93. Lasch.
94. In den Abschnitten 17-20 ist B. inhaltlich und terminologisch von der deut-
schen Mystik beeinflußt. Wir stellen zusammen: Gott stillhalten; einen wahren
Sabbath und Feier halten; Kind Gottes; dem Göttlichen Raum geben; Christus soll
in uns aufgehen, Adam untergehen; das Unsere soll zu Grunde gehen; vergotten;
des Göttlichen allein gewarten; des Trostes der Creaturen entblößt sein. Bs. Quelle
ist vermutlich die von Luther 1518 vollständig herausgegebene » Ein deutsch Theologie«
(ed. H. Mandel, Quellenschriften z. Gesch. des Protestantismus, Heft 7, Leipzig 1908);
aus der Vorrede Luthers (WA 1,378-379) zitiert B. in Anlage 6, S. 312, Z. 31. Vgl. B.s
»Das ym selbs ...«, ed. Strohl, S. 41, Anm. 8.
95. Fortgang, Fortschritt.