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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0309
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ANLAGEN UND GUTACHTEN

305
Die Themen des Summary kehren wieder, doch ist das Gutachten
im Gegensatz zu dem volkstümlich-polemischen Summary streng theo-
logisch gehalten. Die Polemik tritt zurück und macht einer ruhigen
Sprache Platz. Bucer bemüht sich offensichtlich, den sachlichen Ton
eines Gutachters einzuhalten, der die Argumente pro und contra dar-
stellt und an der Heiligen Schrift als der einzigen Norm, Regel und
Richtschnur mißt. Damit wird sich auch die für den heutigen Leser
erstaunliche Tatsache erklären lassen, daß in einem Gutachten über
Luthers Lehre der Name Luther nur zweimal vorkommt; am Anfang,
wo das Thema genannt wird, und am Schluß, wo das Ergebnis verkündet
wird. Um den Anschein zu vermeiden, als höre er auf eine menschliche
Autorität- und auch Luther ist ja für Bucer nur eine menschliche Autorität-
verzichtet Bucer darauf, Zitate aus Luthers Schriften anzuführen. Es geht
letztlich nicht um theologische Schulmeinungen, sondern um die Wahr-
heit des Evangeliums. Das alte, ewige Wort Gottes soll wieder frei von
allen Entstellungen, menschlichen Fündchen und Zutaten ans Licht
gestellt werden2.
Die besondere theologische Haltung des Gutachtens soll ein Ver-
gleich mit dem Summary deutlich machen. Die kleinen Abschnitte mit
ihren thesenartigen Überschriften haben den wissenschaftlicheren, in
sich geschlossenen Artikeln Platz gemacht. Während in dem Summary
die Abschnitte unverbunden nebeneinander stehen, wird im Gutachten
der innere Zusammenhang der zwölf Artikel verdeutlicht. Immer wieder
wird auf die vorhergehenden Aussagen, zumal auf die beiden ersten
grundlegenden Artikel von der Schrift als der einzigen Norm und von
Christus als dem einzigen Mittler verwiesen. Zugleich ist unser Gut-
achten »vollständiger«. In dem Summary begnügt sich Bucer damit,
die Irrtümer über das Abendmahl darzulegen, die übrigen Sakramente
werden nicht behandelt. In dem Gutachten werden dagegen Firmung,
Ehe, letzte Ölung und Priesterweihe als Sakramente ausdrücklich ver-
worfen und diese Verwerfung aus der Schrift begründet. (Über die
Taufe konnte Bucer in beiden Schriften kurz hinweggehen, da hier
Differenzen nicht bestanden.) In dem Summary, das sich an den schlichten
einfachen Christen wandte, wäre es fehl am Platz gewesen, die Autorität
der Kirchenväter zu erörtern oder Väterzitate anzuführen. In einem
theologischen Gutachten hingegen hat es einen guten Sinn, das Wort
Augustins: »Ich hätte dem Evangelium nicht geglaubt, wenn ich nicht
der Kirche geglaubt hätte«, näher zu interpretieren.
In ihrem sachlichen Gehalt stimmen Summary und Gutachten durch-
aus überein. Zwischen beiden Schriften liegt keine theologische Weiter-
entwicklung. Die Differenzen in der Art der Darbietung und im Aus-

2. Gutachten Folio 17 r.
 
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