306 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
druck erklären sich aus dem Unterschied volkstümlicher Verkündigung
und »theologischer« Darstellung. Das Summary geht aus von der
Erscheinung des Antichristen und stellt die Hörer in die Erwartung der
Endzeit hinein, in der nach den Weissagungen des Herrn das Evangelium
rein und lauter verkündet werden soll. Damit knüpft Bucer an Motive
der volkstümlichen Frömmigkeit an. Im Gutachten tritt diese Gedanken-
gruppe zurück; nur am Ende des 11. Artikels erscheint dann als Fol-
gerung, daß aus allen geschilderten Mißständen und Irrtümern nur ein
Schluß gezogen werden kann: in der Papstkirche herrscht der Antichrist.
Ein Unterschied in der Form, nicht im Inhalt.
Sprache und Stil des Gutachtens sind, wenn man von der fehlenden
Polemik absieht, vom Summary nicht verschieden. Wie dort zitiert
Bucer auch hier das Neue Testament nach Luthers Übersetzung.
2. Die Datierung
Nicht ganz einfach ist die Datierung des Gutachtens. Die Straßburger
Tradition scheint sehr bald abgerissen zu sein, da bereits Konrad Hubert
sich mit der Angabe: »circa annum 23 aut 24« begnügt3.
Der Terminus ad quem läßt sich mit Sicherheit aus den Aussagen
über das Abendmahl erschließen. Bucer vertritt im Gutachten noch
völlig »naiv« und unreflektiert die Realpräsenz. Christi Leib und Blut
sind unter Brot und Wein im Abendmahl gegenwärtig. Das wird als
eine unbestrittene und außerhalb jeder Diskussion stehende Grund-
voraussetzung gesagt; daß es darüber auch eine andere Meinung geben
könnte, liegt noch außerhalb des Gesichtskreises Bucers. In dieser Form
konnte man nach dem Auftauchen der Karlstadtschen Traktate in
Straßburg im Oktober 1524 nicht mehr über das Abendmahl handeln.
Wer nach diesem Termin in Straßburg schrieb, mußte sich mit den
Thesen Karlstadts auseinandersetzen. Der Terminus ad quem ist also
sicher der Spätherbst 15244.
3. Vgl. CR Zw VII, 179, 28ff.: »quod Wittenbergensibus intellectum tuum
captivum ducere non concedis, laudo, neque angelo de caelo in rebus fidei assentiendum
est, sed soli verbo dei, quod aethernum est; sed simul, quia in proferendo hoc multum
et feliciter desudarunt tecum ei permultum quoque defero, nunquam tamen ipsis,
sed verbo, quod adducerint, crediturus« (B. an Zwingli, Straßburg, 19. April 1524).
Vgl. dazu auch Köhler: Zwingli und Luther I, S. 209.
4. Über die Wirkung der Karlstadtschen Flugschriften vgl. Köhler: Zwingli und
Luther I, S. 67 ff., und R. Stupperich: Straßburgs Stellung im Beginn des Sakraments-
streites, 1524-1525. ARG 38 (1941), S. 249-272. Gegen Karlstadt wendet sich Capito
mit der Schrift: »Waß man halten vnd antwurten soll von der spaltung zwischen
Martin Luther vnd Andreas Carolstadt« (vgl. Baum, S. 580, Nr. 17) und B. mit
»Grund und Ursach ...« (vgl. Stupperich, Bibl. Nr. 8).
druck erklären sich aus dem Unterschied volkstümlicher Verkündigung
und »theologischer« Darstellung. Das Summary geht aus von der
Erscheinung des Antichristen und stellt die Hörer in die Erwartung der
Endzeit hinein, in der nach den Weissagungen des Herrn das Evangelium
rein und lauter verkündet werden soll. Damit knüpft Bucer an Motive
der volkstümlichen Frömmigkeit an. Im Gutachten tritt diese Gedanken-
gruppe zurück; nur am Ende des 11. Artikels erscheint dann als Fol-
gerung, daß aus allen geschilderten Mißständen und Irrtümern nur ein
Schluß gezogen werden kann: in der Papstkirche herrscht der Antichrist.
Ein Unterschied in der Form, nicht im Inhalt.
Sprache und Stil des Gutachtens sind, wenn man von der fehlenden
Polemik absieht, vom Summary nicht verschieden. Wie dort zitiert
Bucer auch hier das Neue Testament nach Luthers Übersetzung.
2. Die Datierung
Nicht ganz einfach ist die Datierung des Gutachtens. Die Straßburger
Tradition scheint sehr bald abgerissen zu sein, da bereits Konrad Hubert
sich mit der Angabe: »circa annum 23 aut 24« begnügt3.
Der Terminus ad quem läßt sich mit Sicherheit aus den Aussagen
über das Abendmahl erschließen. Bucer vertritt im Gutachten noch
völlig »naiv« und unreflektiert die Realpräsenz. Christi Leib und Blut
sind unter Brot und Wein im Abendmahl gegenwärtig. Das wird als
eine unbestrittene und außerhalb jeder Diskussion stehende Grund-
voraussetzung gesagt; daß es darüber auch eine andere Meinung geben
könnte, liegt noch außerhalb des Gesichtskreises Bucers. In dieser Form
konnte man nach dem Auftauchen der Karlstadtschen Traktate in
Straßburg im Oktober 1524 nicht mehr über das Abendmahl handeln.
Wer nach diesem Termin in Straßburg schrieb, mußte sich mit den
Thesen Karlstadts auseinandersetzen. Der Terminus ad quem ist also
sicher der Spätherbst 15244.
3. Vgl. CR Zw VII, 179, 28ff.: »quod Wittenbergensibus intellectum tuum
captivum ducere non concedis, laudo, neque angelo de caelo in rebus fidei assentiendum
est, sed soli verbo dei, quod aethernum est; sed simul, quia in proferendo hoc multum
et feliciter desudarunt tecum ei permultum quoque defero, nunquam tamen ipsis,
sed verbo, quod adducerint, crediturus« (B. an Zwingli, Straßburg, 19. April 1524).
Vgl. dazu auch Köhler: Zwingli und Luther I, S. 209.
4. Über die Wirkung der Karlstadtschen Flugschriften vgl. Köhler: Zwingli und
Luther I, S. 67 ff., und R. Stupperich: Straßburgs Stellung im Beginn des Sakraments-
streites, 1524-1525. ARG 38 (1941), S. 249-272. Gegen Karlstadt wendet sich Capito
mit der Schrift: »Waß man halten vnd antwurten soll von der spaltung zwischen
Martin Luther vnd Andreas Carolstadt« (vgl. Baum, S. 580, Nr. 17) und B. mit
»Grund und Ursach ...« (vgl. Stupperich, Bibl. Nr. 8).