308 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Laurentius im Münster einzuschreiten11. Zell bestand auf einem öffent-
lichen Verhör in Straßburg und forderte, daß die Entscheidung bei dem
Rat liegen sollte. Ihm schloß sich auch Capito an12. Als der Bischof
unter Berufung auf das Nürnberger Edikt ein Verhör ablehnte und die
Erregung unter der Bürgerschaft wuchs, griff der Rat ein. Im Oktober
1523 forderte er die Prädikanten auf, innerhalb von fünf Wochen in
lateinischen und deutschen Schriftsätzen ihre Lehre darzustellen und
aus der Heiligen Schrift zu begründen. In der Rechtfertigungsschrift
sollte über die Sakramente, die Priesterehe, das Fasten, die Verehrung
der Heiligen usw. gehandelt werden. Auf Grund der eingereichten, uns
nicht mehr erhaltenen Schriften ließ der Rat den Prädikanten mündlich
ansagen, sie sollten das Evangelium gemäß der Heiligen Schrift ver-
kündigen, dabei wollte der Rat sie beschützen13. Am 1. Dezember erließ
der Rat ein gleichlautendes Mandat. Formal knüpfte der Rat damit an
das Nürnberger Edikt an. Während dort verordnet war, das Evan-
gelium nach der Heiligen Schrift und nach der Auslegung der Väter
zu verkünden, fehlt im Straßburger Mandat der Zusatz: nach Auslegung
der von der Kirche angenommenen Schriften14.
In diesem Zusammenhang gehört offensichtlich Bucers Gutachten.
Es behandelt die Punkte, über die der Rat Auskunft verlangte. Es fordert
die Verkündigung des Evangeliums, jede andere Autorität, auch die
der Kirchenväter, wird ausdrücklich verneint. Die Forderung nach einem
Verhör vor dem Rat nimmt das Ersuchen Zells auf. Das Gutachten ist
demnach im Oktober/November 1523 verfaßt15. Es will die Differenzen
zwischen reformatorischer und römischer Lehre theologisch-wissen-
schaftlich herausarbeiten und verdient daher unsere besondere Auf-
merksamkeit. Es ist die einzige Schrift des Jahres 1523, in der nicht der
Volksprediger und Polemiker, sondern der Theologe Bucer zu Worte
kommt.
Diese Datierung erklärt auch, warum das Gutachten ohne Anrede ist.
Bucer war damals noch kein Prädikant. Seine Schrift war daher nicht
für den Rat bestimmt, sondern eine Privatarbeit. Ob sie für Zell, in
dessen Hause Bucer damals wohnte, oder für einzelne Mitglieder des
Rates bestimmt war, muß unentschieden bleiben. Auch die oben be-
handelten Unterschiede im Stil und Haltung des Gutachtens werden
jetzt vollends verständlich. Im Gutachten haben wir die Gedanken des
Summary in theologischer Gestalt vor uns.
11. Über den »Zellschen Handel« vgl. A.Baum, S. 15-30, und Adam, S. 55-57.
12. Adam, S. 56; A.Baum, S. 28. 13. Röhricb: Gesch. I, S. 175; Adam, S. 56f.
14. Röhrich: Gesch. I, S. 176; A. Baum, S. 29f.; Adam, S. 57.
15. Zu demselben Schluß scheint Adam gekommen zu sein, der im Inventaire des
Archives du Chapitre de St.-Thomas de Strasbourg, Strasbourg 1937, Sp. 283 das
Gutachten »ca. 1523« ansetzt.
Laurentius im Münster einzuschreiten11. Zell bestand auf einem öffent-
lichen Verhör in Straßburg und forderte, daß die Entscheidung bei dem
Rat liegen sollte. Ihm schloß sich auch Capito an12. Als der Bischof
unter Berufung auf das Nürnberger Edikt ein Verhör ablehnte und die
Erregung unter der Bürgerschaft wuchs, griff der Rat ein. Im Oktober
1523 forderte er die Prädikanten auf, innerhalb von fünf Wochen in
lateinischen und deutschen Schriftsätzen ihre Lehre darzustellen und
aus der Heiligen Schrift zu begründen. In der Rechtfertigungsschrift
sollte über die Sakramente, die Priesterehe, das Fasten, die Verehrung
der Heiligen usw. gehandelt werden. Auf Grund der eingereichten, uns
nicht mehr erhaltenen Schriften ließ der Rat den Prädikanten mündlich
ansagen, sie sollten das Evangelium gemäß der Heiligen Schrift ver-
kündigen, dabei wollte der Rat sie beschützen13. Am 1. Dezember erließ
der Rat ein gleichlautendes Mandat. Formal knüpfte der Rat damit an
das Nürnberger Edikt an. Während dort verordnet war, das Evan-
gelium nach der Heiligen Schrift und nach der Auslegung der Väter
zu verkünden, fehlt im Straßburger Mandat der Zusatz: nach Auslegung
der von der Kirche angenommenen Schriften14.
In diesem Zusammenhang gehört offensichtlich Bucers Gutachten.
Es behandelt die Punkte, über die der Rat Auskunft verlangte. Es fordert
die Verkündigung des Evangeliums, jede andere Autorität, auch die
der Kirchenväter, wird ausdrücklich verneint. Die Forderung nach einem
Verhör vor dem Rat nimmt das Ersuchen Zells auf. Das Gutachten ist
demnach im Oktober/November 1523 verfaßt15. Es will die Differenzen
zwischen reformatorischer und römischer Lehre theologisch-wissen-
schaftlich herausarbeiten und verdient daher unsere besondere Auf-
merksamkeit. Es ist die einzige Schrift des Jahres 1523, in der nicht der
Volksprediger und Polemiker, sondern der Theologe Bucer zu Worte
kommt.
Diese Datierung erklärt auch, warum das Gutachten ohne Anrede ist.
Bucer war damals noch kein Prädikant. Seine Schrift war daher nicht
für den Rat bestimmt, sondern eine Privatarbeit. Ob sie für Zell, in
dessen Hause Bucer damals wohnte, oder für einzelne Mitglieder des
Rates bestimmt war, muß unentschieden bleiben. Auch die oben be-
handelten Unterschiede im Stil und Haltung des Gutachtens werden
jetzt vollends verständlich. Im Gutachten haben wir die Gedanken des
Summary in theologischer Gestalt vor uns.
11. Über den »Zellschen Handel« vgl. A.Baum, S. 15-30, und Adam, S. 55-57.
12. Adam, S. 56; A.Baum, S. 28. 13. Röhricb: Gesch. I, S. 175; Adam, S. 56f.
14. Röhrich: Gesch. I, S. 176; A. Baum, S. 29f.; Adam, S. 57.
15. Zu demselben Schluß scheint Adam gekommen zu sein, der im Inventaire des
Archives du Chapitre de St.-Thomas de Strasbourg, Strasbourg 1937, Sp. 283 das
Gutachten »ca. 1523« ansetzt.