ANLAGEN UND GUTACHTEN 323
wie filfeltig vnd wie hefftig Paulus verwirfft die satzung vnd geistlicheyt,
so do stot in vnderscheit der zyt, kleider vnd spyss80. Zum ersten sind
es weltlich satzung, das ist satzung von vsserlichen, weltlichen dingen,
von denen wir mit Christo gestorben sein sollen, das wir nun im gesatz
5 des geists lebten in aller gerechtikeyt vnd nit in solchem vsserlichen
wesen, das ein gotloser als wol mag tryben, alss ein gotseliger81; zum
ander so stot solche gleyssnerische frumbkeyt in dingen, die zergenglich
sind, darumb muss es nit die rechte frumbkeit sein, die do ewig ist vnd
stot auch vff ewigem, alss vff Christo; zum dritten so sind solche satzung
10 nur menschen leren, vor denen sollen wir vnss huten vnd bliben by der
einigen ler gotes; zum fierden so haben | gemelt ding nur ein schein
der weisheyt vnd ist nichs dan gleissnery, dan nieman wurdt dadurch
frumm, vnd mags ein vnfrummer, der in neid vnd hass, hochfart vnd
vnglauben lebt, alss wol halten, als ein frummer; zum funfften ists ein
15 selb erwelte geistlicheyt vnd demut, die soll man nyt, dan got vnss
Deutero. xii. [29-32] gepotten hat, nit zu thun, was vnss gefalt, sonder
allein, was er vnss gepeutet. Zu vns kumm dein reich, bitten wir, vnd dein will
gescheh [Mt 6,10]. Zum letsten so hat es alles nur doher ein ansehen, das
des leibs nit verschont wurdt vnd kein kost an in gewendet, war man
20 gleich gemelte satzungen steiff helt, alss das man die schlechsten cleider
tregt, die nachgiltigst82 speis nyssete, vff das hertest zu fil zeyten den
leib castyet, noch so ist dem hertz drumb nit geholffen83, ob man den
leib schon zu todt castyet, noch mag neid, hochfart vnd fil böss do
sein. Darumb auch sant Paulus seinem Timotheo schreibt, 4 [7-8] in
25 der ersten: Vb dich selbs aber an der gotselikeyt, dan die leiplich vbung ist wenig
nutz. Nun aber leyt es am tag, das man solche satzung auch nit zu kasty-
ung des leibs brauchet. Ob schon die kartuser84 vnd ander monch sonder85
sich von gemeinem volck in die closter versperren, so bawen sy doch
die selbigen vss der armen schweiss, das sy fil luster86 wonen, dan sy
30 hussen87 imer hetten mogen erlangen. Haben sy dan schon sonder farb
vnd gestalt der cleider, | so haben sy doch so gut vnd fil, das iren fil
auch herussen sich so wol zucleiden nit vermocht hetten. Haben sy dan
etlich zeit, in der sy fasten, das ist nur ein mal essen, so bieten sy es in
80. Vgl. Luther, WA 2, 533,3-40 (Kl. Gal. Kommentar).
81. Vgl. Luther: »Denn alle diße obgenannten stuck, werck und weyßen mag auch
an sich haben und üben eyn bößer mensch, eyn gleißner und heuchler«, WA 7,
21,33-35 (Freiheit).
82. Minderwertig.
83. Vgl. Luther, WA 7, 21, 28-33 (Freiheit).
84. Die Regel der Karthäuser verlangt völlige Absonderung von der Welt und
strenge Askese; vgl. RE 10, 100-105, und LThK 5, 850-853.
85. Besonders. 86. Anmutig.
87. Draußen, außerhalb des Klosters.
f° 28 r
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wie filfeltig vnd wie hefftig Paulus verwirfft die satzung vnd geistlicheyt,
so do stot in vnderscheit der zyt, kleider vnd spyss80. Zum ersten sind
es weltlich satzung, das ist satzung von vsserlichen, weltlichen dingen,
von denen wir mit Christo gestorben sein sollen, das wir nun im gesatz
5 des geists lebten in aller gerechtikeyt vnd nit in solchem vsserlichen
wesen, das ein gotloser als wol mag tryben, alss ein gotseliger81; zum
ander so stot solche gleyssnerische frumbkeyt in dingen, die zergenglich
sind, darumb muss es nit die rechte frumbkeit sein, die do ewig ist vnd
stot auch vff ewigem, alss vff Christo; zum dritten so sind solche satzung
10 nur menschen leren, vor denen sollen wir vnss huten vnd bliben by der
einigen ler gotes; zum fierden so haben | gemelt ding nur ein schein
der weisheyt vnd ist nichs dan gleissnery, dan nieman wurdt dadurch
frumm, vnd mags ein vnfrummer, der in neid vnd hass, hochfart vnd
vnglauben lebt, alss wol halten, als ein frummer; zum funfften ists ein
15 selb erwelte geistlicheyt vnd demut, die soll man nyt, dan got vnss
Deutero. xii. [29-32] gepotten hat, nit zu thun, was vnss gefalt, sonder
allein, was er vnss gepeutet. Zu vns kumm dein reich, bitten wir, vnd dein will
gescheh [Mt 6,10]. Zum letsten so hat es alles nur doher ein ansehen, das
des leibs nit verschont wurdt vnd kein kost an in gewendet, war man
20 gleich gemelte satzungen steiff helt, alss das man die schlechsten cleider
tregt, die nachgiltigst82 speis nyssete, vff das hertest zu fil zeyten den
leib castyet, noch so ist dem hertz drumb nit geholffen83, ob man den
leib schon zu todt castyet, noch mag neid, hochfart vnd fil böss do
sein. Darumb auch sant Paulus seinem Timotheo schreibt, 4 [7-8] in
25 der ersten: Vb dich selbs aber an der gotselikeyt, dan die leiplich vbung ist wenig
nutz. Nun aber leyt es am tag, das man solche satzung auch nit zu kasty-
ung des leibs brauchet. Ob schon die kartuser84 vnd ander monch sonder85
sich von gemeinem volck in die closter versperren, so bawen sy doch
die selbigen vss der armen schweiss, das sy fil luster86 wonen, dan sy
30 hussen87 imer hetten mogen erlangen. Haben sy dan schon sonder farb
vnd gestalt der cleider, | so haben sy doch so gut vnd fil, das iren fil
auch herussen sich so wol zucleiden nit vermocht hetten. Haben sy dan
etlich zeit, in der sy fasten, das ist nur ein mal essen, so bieten sy es in
80. Vgl. Luther, WA 2, 533,3-40 (Kl. Gal. Kommentar).
81. Vgl. Luther: »Denn alle diße obgenannten stuck, werck und weyßen mag auch
an sich haben und üben eyn bößer mensch, eyn gleißner und heuchler«, WA 7,
21,33-35 (Freiheit).
82. Minderwertig.
83. Vgl. Luther, WA 7, 21, 28-33 (Freiheit).
84. Die Regel der Karthäuser verlangt völlige Absonderung von der Welt und
strenge Askese; vgl. RE 10, 100-105, und LThK 5, 850-853.
85. Besonders. 86. Anmutig.
87. Draußen, außerhalb des Klosters.
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