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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0346
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342

MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN

Vss disen spruchen allen folget, das nit anzusehen ist, wie man die
leut heisst, was sy von inen selb furgeben oder wes stat sy vertretten,
sonder was geist sy haben, das sich dan am gewissesten befindet222, so
man ir thun gegen dem Euangelio vnd der schriflt haltet. Die ist nun so
clar vnd hell, das man gleich sihet, was got gefellet oder nit. Darzu sind 5
die werck des fleischs offenbar, spricht Paulus nemlich eebruch, hurery, un-
reinikeyt, geilheit, abbgotery, zaubery, feindtschafft, hader, eiffer, zorn, zanck,
zwytracht, secten, hass, mordt, sauffen, fressen vnd dergleichen, Galat. 5 [19-21].
Die findet man nienen223 mer dan by dem genanten geistlichen standt,
darumb sind sy fleischlich vnd versten sich gar nychs vmb geistlich sachen. 10
es ist inen ein thorheyt vnd kundens nit verston, 1. Cor. 2. [14]. Die den
f° 46 v geist gotes haben, die mögen | recht leren vnd gotlicher ding ein ver-
stand haben. Aber wo der geist ist, da spurt man auch seine frucht, alss
da sind lieb, freud, frid, langmut, freundlicheyt, gütigkeyt, glaube, sanfftmüt,
keuscheit, Gal. 5 [22] 224. 15
Man darff auch vff die concilien nit bochen, dan vngotsforchtig leut
in denen geherschet haben, des sich wol befindet in geschichten des
Concili zu Costnitz225, do der frumb keiser Sigmund226 den pracht der
geistlichen vnd schandlich leben gern abgestelt hette vnd ein refor-
mation gemacht227; es mocht aber nit sein. Were nun die folg228 by den 20
fromen gewesen, so wer das gross gut, ein gemeine229 reformacion, vff
die der keiser so ernstlich drang, nit nochbliben230. Vnd darumb, seyten-
mal am tag leit, das der böse theil furzogen hat in dem, das so ein gross
gut verhindert worden ist, was wunder solt es dan sein, ob sy auch

222. Sich erweisen, herausstellen. 223. Nirgends.
224. Vgl. B.s »Summary«, Anm. 38. 225. Konstanz 1414-1418.
226. Über Kaiser Sigismund vgl. Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 2, 21929,
S. 230, 247-249.
227. Die sogenannte »Reformation des Kaisers Sigismund« (ca. 1438 entstanden,
ed. H. Werner, Archiv für Kulturgeschichte III, Erg. Heft 1908) wirkte stark auf die
Reformideen des beginnenden 16. Jahrhunderts ein (vgl. C. Koehne: Studien zur
sogenannten Reformation Kaiser Sigismunds. Z. f. Social- und Wirtschaftsgesch.,
Bd. 6. 1898. S. 369-434, besonders 415 ff.). Im 15. Jahrhundert erschienen fünf
Drucke, zwischen 1520 und 1522 vier weitere (vgl. C. Koehne: Die sogenannte Re-
formation Kaiser Sigismunds. Neues Archiv des Ges. f. ältere deutsche Geschichts-
kunde, Bd. 23. 1898. S. 703-711). Nach der Vorrede eines in Straßburg erschienenen
Druckes von 1520 will die Ausgabe zeigen, daß die Reformation Luthers »nit ain
new ding sey«, »sunder nit vil wender, dann vor hundert jaren oder darob auch
sollich reformierung vorhanden gewesen und doch nit der weyss, die wir auf dysen
tag brauchen, vorhindert worden«; C. Koehne: Neues Archiv, a.a.O., S. 706f. Vgl.
P. Joachimsen: Die Reformation des Kaisers Sigismund. Hist. Jahrbuch, Bd. 41. 1921.
S. 36-51. Vgl. B.s »Grund und Ursach«, Anm. 25.
228. Nachahmung, Nachfolge. 229. Allgemein.
230. Vgl. Hutten, Böcking V, 379,8-380,3 (Wie die Baepst allwegen wider die
Teutschen Kayser gewest).
 
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