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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0402
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398 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Die Steuerfreiheit des Klerus in den Städten muß ein Ende haben. Das
Pfründenwesen ist durch die Habsucht der Geistlichen verdorben, es
muß von der weltlichen Obrigkeit neu geordnet werden: Wer nichts
kann und zum Amt nicht geschickt ist, dem soll der Landesfürst die
Pfründe wegnehmen. Die weltliche Gewalt soll die Pfründen dann so
verteilen, daß eine Anhäufung vermieden wird und jeder Geistliche
sein genügendes Auskommen hat. Das Ideal, das dem Dialog für den
Pfarrer vorschwebt, ist das einfache, ruhige, meditative Gelehrtenleben
des Humanisten. Um in der Stille der Meditation, der Predigt und dem
Studium nachgehen zu können, braucht der Pfarrer Ruhe vor unordent-
lichen Wirtschafterinnen, die Unrast des weltlichen Regiments in Krieg
und Hader soll ihm ferngehalten werden, auch Sorge für Weib und Kind
soll ihn nicht hindern. Wenn sie dieses arme, demütige, keusche Leben
führen, dann werden auch die weltlichen Glieder des Leibes Christi die
Lehren der Geistlichen wieder annehmen und auch ihr Leben bessern,
das jetzt auch von der Habsucht verdorben ist.
Die Pfarrer sollen das von allen menschlichen Zusätzen gereinigte
Evangelium predigen. Durch die Weihe allein wird keiner ein Geist-
licher, das geistliche Amt muß im rechten Glauben und guten Werken
geübt werden. Die Geistlichen sollen sich ganz ihren Aufgaben widmen:
der Predigt, dem Gebet und der Sakramentsverwaltung.
Die entscheidende Wendung nimmt das Gespräch durch das Argument
des Schultheißen, Luther sei von seinen Gegnern nicht widerlegt worden,
er sei gelehrter als alle seine Widersacher. Der Sieg Luthers ist ein Sieg
der gelehrten Welt. Die Leuchten der Wissenschaft, Erasmus von
Rotterdam, Andreas Karlstadt und Oecolampad stehen an Luthers
Seite. Sie beherrschen die drei alten Sprachen und können deshalb die
Schrift im Urtext studieren. Sie vertreten eine Theologie der Schrift.
Die Einordnung beider Flugschriften in einen größeren theologischen
Zusammenhang versucht G. Blochwitz in seiner Dissertation78. Fußend
auf den vorliegenden Arbeiten, schreibt er beide Dialoge dem jungen
Bucer zu und behandelt sie unter dem Thema: Unevangelisches in den
Flugschriften. Blochwitz sieht Bucer als Humanisten, der Luther von
Erasmus her versteht. Bucer will Reformen, aber nicht die Reformation.
Luther ist für ihn der, der die Lex Christi von uneigentlichen Zusätzen
reinigt. Nach Luther ist die Bibel ganz unterdrückt, nach dem Bucer
der Flugschriften ist ihr nur Widerwärtiges angehängt. Bucer mißt die
kirchlichen Zustände am mittelalterlich asketischen Lebensideal der

78. Vgl. G.Blochwitz: Die antirömischen deutschen Flugschriften der frühen
Reformationszeit (bis 1522) in ihrer religiös-sittlichen Eigenart. ARG 107/108, 1930,
s. 145-254.
 
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