Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0411
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GESPRECHBIECHLIN NEÜW KARSTHANS 407
F. Hey warumb? sie werden ansehen, wie die sachen yetz gelegen,
und das doctor Luther vil menschen zu erkantnüß der warheit bracht,
derhalben sie dannocht vil zu bedencken haben.
K. Lieber juncker, sie keren sich gar nichts daran, sunder bochen uff
5 iren bann und verlassen sich uff ir freyheit. Yetzund bin ich aber im
bann, ob ir das nit wissent.
F. Wie geet das zu? Was | ist die ursach?
Ka. Juncker, sie ist wol lächerlich, aber mir armen ist sie zu schwär
worden.
10 F. Wie dem?
K. Juncker, ich hab ein junges pferdtlin, ist vast ein hüpsches | thierlin,
und ist mir seer lieb. Darumb offt, wann ich das uß dem stall gezogen,
hab ich es gestreicht und gehebelt, auch etwa uff sein köpflin geküsset.
Als nun einer von meinen nachpauren4 das im sünda5 gerüget, hat es
15 der Official für ein ketzerstuck erkennet und mir zweintzig guldin zur
straff abgefordert6. Doch ist es zuletst uff zwölff kommen, [die] hab ich im
müssen zusagen, uff ein zil zu bezalen. Nachdem aber dasselbig zil ver-
loffen, und ich armer in mitler zeyt mit meiner sauren arbeit so vil nit
hab erschwingen mögen, das ich die xii guldin (wie ich doch gehoffet)
20 erüberigt hette, sunder im sechs gegeben und umb gottes willen gebetten,
mir mit den andern sechsen biß zu sanct Bartholomestag7, wann ich
ußgetroschen und etwas von frucht verkaufft hette, zu beiten8, ist er gar
nit zu erweichen geweßt, sunder hat mich am nechsten Sontag in bann
verkünden lassen.
25 F. Warlich, das ist unrecht und verdreüsset mich von hertzen auff den
abentheürer, sag auch, hettest du im die sechs guldin nit gegeben, du
soltest im keinen pfenning geben. Ich wölt dich wol vor im verthädingen,
dann er hat kein fug noch ursach gehabt, dich zu bannen. Ich wil es
auch dem Bischoff schreyben.
30 Kar. Lieber juncker, das wöllent thun, ob ich die sechs behalten
möcht, dann mit den andern sechsen wil ich thun, als hett ich die ver-
spilet. Kompt es aber ye dartzu, das man allerley mit den pfaffen reden
würt, wie ich dann hoffe geschehen werden, ich wil des und anders

a) send: conj. Schade u. Lehmann.
4. Nachbar.
5. Sünd = Volksethymologie von send (iudicium synodale), die niederste Instanz
der geistlichen Gerichtsbarkeit, die vor allem auf dem Lande bestand und sich mit
den Vergehen der Laien befaßte. Vgl. W. Plöchel: Geschichte des Kirchenrechts II.
1953. S. 309. RE 18, 209-215.
6. Witterte die Kirche hier noch Zusammenhänge mit dem Wodanskult? Vgl.
P. Kalkoff: Ulrich von Hutten und die Reformation. 1920. S. 542, Anm. 2.
7. 24. August. 8. Warten.

A2b

652 Kanthans hat sein
pferdt geküsset.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften