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Orth, Christian; Nicochares
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 9,3): Nikochares - Xenophon: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52132#0307
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302

Polyzelos

bleibt in diesem Fall auch völlig unklar, was „Tyndareos des Demos“ überhaupt
bedeuten soll (zumal Tyndareos nicht eine Figur war, die sprichwörtlich direkt
mit einer bestimmen Eigenschaft oder Rolle verbunden war).
(2) Aus fr. 3 und 5 ergibt sich eine wahrscheinliche Datierung zwischen 410
und etwa 406 v. Chr., wobei die Erwähnung des Hyperbolos in fr. 5 tendenziell
eher für eine relativ frühe Datierung nicht zu lange nach 411 v. Chr. spricht
(vgl. unten zur Datierung). In fr. 3,4 werden (vielleicht in einem Agon) drei
Übel des Theramenes (wahrscheinlich Maßnahmen während der Herrschaft der
Vierhundert 411 v. Chr. oder der folgenden der Fünftausend 411-410 v. Chr.) in
einerWeise erwähnt, die suggeriert, dass sie noch immer eine Gefahr darstellen
können, und in Vers 1-3 desselben Fragments ist von einer Person die Rede,
die - offenbar einem politischen Kontext - vor der Wahl zwischen Gefängnis,
Selbstmord und Flucht bzw. Desertion stand. Die Beschreibung passt gut auf die
Flucht des aus Sizilien zurückberufenen Alkibiades aus Thurioi 415 v. Chr. (vgl.
unten S. 320-1), und der Demotyndareös könnte einen Agon enthalten haben,
in dem u. a. über die Rolle des Alkibiades (oder des athenischen Demos bzw.
einzelner Politiker) bei dieser Episode diskutiert wurde, fr. 1 (das vielleicht auf
die Bewirtung der Dioskuren in sog. θεοξένια Bezug nimmt, vgl. S. 309. 311),
könnte sich auf eine (mit der Gegenwart kontrastierte?) frühere Zeit beziehen
(und wenn sich das Fragment auf die Dioskuren bezieht, dann ergibt sich auch
eine direkte Verbindung mit Tyndareos), fr. 2 (in paratragischer Sprache) gibt
wahrscheinlich Anweisungen an einen Reisenden, der nach Athen geht; es
könnte sich dabei auch um eine mythische Figur handeln.
(3) Die Bedeutung des Tyndareos im Mythos beruht nicht zuletzt auf seiner
Ehe mit Leda, aus der (unter Mithilfe des Zeus) die Dioskuren Kastor und
Polydeukes sowie Helena und Klytaimnestra hervorgehen. Ereignisse mit grö-
ßerem komischen Potential wären z.B. die Situation des Tyndareos als betro-
gener Ehemann, die Geburt der Helena aus einem Ei (vgl. Schmid 1946,157-8,
der vermutet, dass das Ei für die oligarchische Verfassung der Vierhundert
steht443) und die Entscheidung für einen der zahlreichen Freier, die um Helena

Forderung des Tyndareos nach einer Bestrafung des Orestes für den Mord an
seiner Tochter Klytaimnestra in Euripides’ Orestes annimmt. Allerdings besteht
kein Grund zu der Annahme, dass die Strafmaßnahmen des Theramenes, auf die
in fr. 3 vielleicht nur beiläufig Bezug genommen wird, im Mittelpunkt der ganzen
Komödie standen, und Tyndareos ist im Orestes eher eine Nebenfigur (viel wich-
tiger für das Bild der Athener von Tyndareos waren vermutlich andere tragische
Darstellungen, z.B. Sophokles’ Tyndareos).
443 Schmids Vermutung rückt den Demotyndareös inhaltlich in interessanter Weise in
die Nähe von Kratinos’ wahrscheinlich 431 v.Chr. aufgeführter Nemesis, wo der
 
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