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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0031
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30 I Julia Becker und Julia Burkhardt

der Codizes selbst, das Zusammenstellen und Binden von Büchern, und natürlich
die Auswahl der passenden Schrift sowie ihr Layout lassen die kulturgeschichtli-
che Wirkmacht mittelalterlicher Klöster bis in unsere Zeit nachhallen.65
Bisweilen sind Innovationen nicht nur im Handeln, sondern auch an Objek-
ten und Artefakten, in kleinen oder auch größeren Spuren erkennbar.66 Mit
Recht lässt sich in Bezug auf Gerhoch von Reichersberg (1092/93-1169) von
einer „größeren Spur" sprechen. Der Regularkanoniker aus der Salzburger
Diözese versah in neuartiger Manier seine eigenen Reformschriften am Rand
des Haupttextes mit Zitaten aus päpstlichen Schreiben und Konzilsbeschlüs-
sen.67 Randnotizen als Innovationen? In seiner frühen Reformschrift Opuscu-
lum de aedificio Dei („Kleines Werk über das Haus Gottes") forderte Gerhoch
die apostolische Lebensweise und damit die vita communis verbindlich für den
gesamten Weltklerus einzuführen.68 Gerhoch verurteilte alle Kleriker, die dem
apostolischen Ideal nicht folgten, da seiner Meinung nach die Konzentration auf
die zentrale Aufgabe des Klerus, nämlich die Seelsorge in der Nachfolge Christi,
nur unter dieser Voraussetzung optimal ausgeführt werden könne. Der Reich-
ersberger Propst (amt. 1132-1169) war tief von seinem Heilsauftrag und seiner
Verantwortlichkeit für die Hinführung des Klerus zur vita apostolica und damit
zur vita eterna überzeugt. Die Forderungen und Ideen selbst, vor allem seine
Haltung gegenüber der Heilvermittlung durch schismatische Priester, waren für

scher Besitzeintrag aus dem 9./10. Jahrhundert s. Angelika Häse, Mittelalterliche Bücherver-
zeichnisse aus Kloster Lorsch: Einleitung, Edition und Kommentar (Beiträge zum Buch-
und Bibliothekswesen 42), Wiesbaden 2002, S. 34; Walter Berschin, Vier karolingische
Exlibris, in: Ders., Mittellateinische Studien, Heidelberg 2005, S. 169-178, hier S. 177-178.
65 Für jüngere Studien zur Materialität von Handschriften s. für das Beispiel des „Bienenbuchs"
Burkhardt, Von Bienen lernen (wie Anm. 45), Bd. 1, S. 107-165; s. überdies Erik Kwakkel,
Decoding the material book. Cultural residue in medieval manuscripts, in: The medieval
manuscript book: cultural approaches, hg. von Michael Robert JoHNSTON/Michael Van
Dussen (Cambridge studies in medieval literature 94), Cambridge 2015, S. 60-76; Henrike
Lähnemann, The Materiality of Medieval Manuscripts, in: Oxford German Studies, 45,2
(2016), S. 121-141; Tjamke Snijders, Manuscript Communication. Visual and Textual Me-
chanics of Communication in Hagiographical Texts from the Southern Low Countries,
900-1200 (Utrecht Studies in Medieval Literacy 32), Turnhout 2015.
66 S. für neuere methodische Zugänge die Beiträge in: Materiale Textkulturen, hg. von Meier/
Ott/Sauer (wie Anm. 60) sowie in: Materielle Aspekte in der Inkunabelforschung, hg. von
Christoph RESKE/Wolfgang Schmitz, (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buch-
wesens 49), Wiesbaden 2017.
67 Peter Classen, Gerhoch von Reichersberg. Eine Biographie. Mit einem Anhang über die
Quellen, ihre handschriftliche Überlieferung und ihre Chronologie, Wiesbaden 1960.
68 Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei. Die Apostel als Ideal. Edition,
Übersetzung, Kommentar, hg. von Julia Becker (Klöster als Innovationslabore 8), Regens-
burg 2020.
 
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