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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0077
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76 I Knut Görich

Der unerwartet frühe Tod Ottos III. verhinderte, dass aus dieser Möglichkeit eine
Wirklichkeit wurde. Diesen Zufall kann man allerdings nicht als Argument dafür
heranziehen, dass sich der Kaiser eines Besseren besonnen und verantwortlich'
zu handeln gelernt hätte, indem er seine Absicht änderte, nachdem er „dem Sog
der gewaltigen Persönlichkeit Romualds vorübergehend erlegen ist."103
Dass man die Bereitschaft weltlicher Herren, sich für ein eremitisches oder mo-
nastisches Leben zu entscheiden, als hochproblematische Angelegenheit betrach-
tete, ist gut belegt.104 Dieser Problemhorizont wurde auch in der Geschichte über
den angeblichen Wunsch von Ottos Nachfolger Heinrich II. verhandelt, im Klos-
ter von St. Vanne in Verdun Mönch zu werden. Von dieser Aussicht erschrocken
soll Bischof Haymo den Abt des Klosters beiseite genommen und ihm den Zerfall
des Reiches für den Fall vor Augen gestellt haben, dass dieser den Kaiser als
Mönch in seinem Kloster behalte. Der Abt nahm den Herrscher dann zwar doch
als Mönch auf, nach Ableistung des Gehorsamsgelübdes befahl er ihm aber, um-
gehend in die Welt zurückzukehren und die von Gott in seine Hände gelegte Re-
gierung des Reiches weiterzuführen.105 Über Heinrich II. erzählte man sich auch,
dass er in Montecassino habe Mönch werden wollen.106 Dass beide Geschichten
erst eine Konsequenz der am Ende des 11. Jahrhunderts ausgebildeten Heinrichs-
legende sein dürften, die aus dem Kaiser „den verhinderten Mönch auf dem
Thron" machte,107 entwertet sie nicht als Belege für die Vorstellung, dass im
Amtsverzicht des Herrschers ein gewaltiges Konfliktpotential schlummerte.
V.
Dass sich Otto III. der politischen Tragweite seines Entschlusses bewusst war,
als er Romuald sein Wort gab, der Welt zu entsagen und auf sein Amt zu ver-
zichten, ist sicher keine abwegige Annahme. Jedenfalls spricht nichts dafür, sein
Versprechen als unüberlegte Äußerung auf Grund augenblicklicher religiöser

103 Eickhoff, Otto III. (wie Anm. 19), S. 31; eine analoge Annahme vom unwiderstehlichen
Charisma Romualds steckt implizit auch in den oben (Anm. 17) zitierten Einschätzungen
über Ottos Vorsatz.

104 Rexroth, Der Graf (wie Anm. 20), Ms S. 11.

105 Siegfried Hirsch, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II., Bd. 3 (Jahrbücher
der deutschen Geschichte 11), Leipzig 1875, S. 364f.; vgl. Vita Richardi abbatis S. Vitoni Vir-
dunensis, hg. von Wilhelm Wattenbach (MGH SS 11), Hannover 1854, S. 280-290, S. 281
Z. 1-23.

106 Seibert, Herrscher (wie Anm. 43), S. 246 mit Anm. 213.

107 Hartmut Hoffmann, Mönchskönig und rex idiota. Studien zur Kirchenpolitik Hein-
richs II. und Konrads II. (MGH Studien und Texte 8), Hannover 1993, S. 147.
 
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