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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0037
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DAS YM SELBS

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es uns nicht befremden, wenn die hier mitgeteilte Predigt nicht von
einem biblischen Text ausgeht, sondern gewissermaßen eine Thema-
predigt darstellt über einen biblisch-reformatorischen Gedanken: Auch
Luther hat solche »textlose« Predigten gehalten über Katechismus-
stücke oder auch über aktuelle Fragen, aus denen dann oftmals seine
»sermones« erwachsen sind. In »Das ym selbs ...« spannt Bucer seine
Theologie in den weiten Bogen der Heilsgeschichte. Ohne sich stärker
auf polemische Fragen einzulassen, entfaltet Bucer in einer gedrängten
Skizze das Bild der Schöpfung, die von Gott abgefallen und durch
Jesus Christus zu ihrem ersten Wesen wieder zurückgebracht worden
ist. Tatsächlich umreißt Bucer damit in einer programmatischen Weise
seine Vorstellung von der Macht des Glaubens, der das menschliche
Leben in all seinen Bereichen ergreift und sich nicht nur als die Wieder-
geburt des einzelnen verstehen läßt, sondern notwendigerweise eine
Umformung des gesamten sozialen Lebens darstellt, das nicht weniger
bedeutet als die »Wiederbringung der ersten Schöpfung6«. Wie wenig
es sich bei dieser theologischen Gesamtschau um eine vorübergehende
Erkenntnis handelt, könnte ein Vergleich des vorliegenden Traktates
mit Bucers Alterswerk »De regno Christi7« zeigen, in dem er gleichsam
als in seinem Testamente dem jungen englischen König das hier nur in
wenigen Strichen hingeworfene, dort aber in Einzelheiten ausgearbeitete
Bild der »societas christiana« als verpflichtende Norm eindrücklich vor
Augen stellt. Bucers Kampf für die Reformation in Straßburg ließe sich
als der Kampf für eine christliche Gesellschaftsordnung darstellen, eine
die Kapitel X-XV des Summary bieten eine Parallele zu dem zweiten Teil von
»Das ym selbs ...«. Andererseits tritt im Summary der polemische Charakter stärker
hervor. Bemerkenswert, daß in »Das ym selbs ...« die Ständelehre vom Phänomen
der Güte Gottes bzw. des christlichen Liebesgebotes aus entfaltet ist, während das
Summary in dieser Frage von der biblisch-reformatorischen Lehre des allgemeinen
Priestertums ausgeht (vgl. hierzu Anm. 14).
6. B. entwickelt seine Auffassung von der Wiederherstellung der guten, durch den
Fall korrumpierten Schöpfung als die Folge der Gnadentat Christi, der in den Gläu-
bigen die Gottesebenbildlichkeit wiederherstellt (vgl. Anm. 12). Es handelt sich
dabei um einen Grundgedanken der Bucerschen Theologie, der einerseits an die
Imago-Dei-Lehre anknüpft, andererseits an die biblisch-paulinische Erlösungslehre,
die ja auch nicht nur die Erlösung aus der Sündenknechtschaft kennt, sondern als einen
wesentlichen Bestandteil der Erlösung die Versöhnung mit Gott annimmt als die
Wiederherstellung des ursprünglichen Vater-Sohn-Verhältnisses. Bemerkenswert, daß
B. - anders als die im Gefolge des Irenäus stehende altkirchliche Rekapitulations-
theorie - in der Regel nicht auf die paulinische Adam-Christus-Spekulation Bezug
nimmt. - Übrigens klingt auch bei Luther, ausgerechnet in »Von der Freiheit eines
Christenmenschen«, zu der der vorliegende Traktat mancherlei Beziehungen hat
(vgl. Anm. 17 und iB), ein ähnlicher Gedanke an: Der »gläubige mensch« ist »durch
seinen glauben widderrumb ynß paradiß gesetzt« (WA VII, 31).
7. De regno Christi, hg. von F. Wendel, 1955 als Band XV der lateinischen
Reihe der Bucer-Werke erschienen.
 
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