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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0080
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76 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
der Zeit wieder das Evangelium lauterer als je zuvor in deutschen Landen
verkündigt. Selbstverständliche Voraussetzung der Predigt Bucers
war das sola scriptura und das sola fide. Während bei Luther die Lehre
von der alleinigen Autorität der Schrift und die Kenntnis der Recht-
fertigung des Sünders allein aus Gnade aus dem Christusmysterium
herausgewachsen und mit dem Christusmysterium aufs engste ver-
bunden sind, hat Bucer diese Aussagen absolut gesetzt. Das später so-
genannte Formal- und Materialprinzip ist bereits bei Bucer Wirklich-
keit geworden. Damit vollzieht Bucer eine Verlagerung des Schwer-
punktes. Das entscheidende Anliegen seiner Verkündigung ist die
Betonung des ethischen Ansatzes. Bucer nimmt Luther ausdrücklich
gegen den Vorwurf in Schutz, die Lehre von der Rechtfertigung sola
fide vernichte jede Moral und führe zu einem Libertinismus. Für
ihn rückt das Doppelgebot der Liebe gegen Gott und gegen den
Nächsten in den Mittelpunkt. Damit verbunden ist die zweite Eigenart
der Bucerschen Theologie, die Betonung der Lehre vom Geist. In der
Polemik gegen die »vermeintlichen Geistlichen« wird der Geistbesitz
jedes Christen hervorgehoben. Jeder Christ hat als Christ teil am Geiste
Gottes und nur soweit er teilhat am Geiste, ist er Christ. In diesen
beiden Gedanken dürfen wir den Mittelpunkt des Summary sehen.

7. Die Quellen
August Lang legt in seiner Theologie Bucers den größten Wert darauf
zu zeigen, daß Bucer in seinen Erstlingsschriften ein getreuer Schüler
Luthers sei. Dieses Bild wird in der Tat bestätigt, wenn man versucht,
lutherischen Gedanken im Summary nachzugehen. Immer wieder
läßt sich zeigen, daß Bucer sehr weitgehend abhängig ist von lutheri-
schen Schriften und daß er auch abgelegenere Traktate Luthers gekannt
und benutzt hat. Neben dem kleinen Galater-Kommentar von 1519,
den Bucer noch als Mönch mit solcher Begeisterung aufgenommen
hatte, und der Schrift an den christlichen Adel ist er insbesondere von
De Captivitate abhängig. In den Abschnitten über die Sakramentslehre
läßt sich die Abhängigkeit von Luther bis ins einzelne nachweisen. Daß
es nur zwei Sakramente, nämlich Taufe und Abendmahl gibt, daß das
Abendmahl kein Opfer ist, daß die übrigen fünf Sakramente abzulehnen
sind, das alles hat er aus De Captivitate gelernt. Und doch läßt sich
zeigen, daß Bucer in entscheidenden Punkten Luther nicht gefolgt ist.
Wir wiesen bereits oben darauf hin, daß die Lehre von der Autorität
der Schrift und der Rechtfertigung bei ihm einen anderen Ort bekommen
haben. Aber auch im Gedanken vom Antichrist geht Bucer andere
Wege. Bucer geht aus von einer Zeitanalyse, Luther vom Worte Gottes.
 
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