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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0401
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DUBIOSA

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Ein elsässischer Theologe, Anhänger Luthers, humanistisch gebildet,
dem der Hofton geläufig ist und der den Wormser Reichtsag aus
nächster Nähe erlebt hat. Diese Voraussetzungen verbindet nur einer
mit geistiger Beweglichkeit und schriftstellerischer Gewandtheit:
Martin Bucer75.
Die Flugschrift ist nach Götze im Jahre 1521 entstanden. Bucer hat
den Dienst beim Pfalzgrafen Friedrich schon aufgenommen. Das
Wormser Edikt ist noch nicht veröffentlicht. Luther hat jedoch schon
in Worms gesprochen. Somit fällt der Dialog in die Wochen zwischen
Ende April und Ende Mai 1521.
Den polemischen Ton, den der Schultheiß im Dialog anschlägt, findet
Götze in Bucers Summary wieder76. Die Form des Dialogs begründet
Götze für die Erstlingsschrift mit Bucers Disputierfreudigkeit: Dis-
putation mit Glapion auf der Ebernburg, Disputationsversuche in
Weißenburg und mit Treger.
Beim Vergleich des Fremdwörterschatzes der echten Bucer-Schriften
mit dem Dialog stellt Götze völlige Übereinstimmung fest77. Auch die
Parallelität des deutschen Wortschatzes läßt unbedingt auf Bucers Ver-
fasserschaft schließen.
KIRCHENKRITIK UND KIRCHENREFORM IM SCHÖNEN DIALOG
Auch der Verfasser des »Schönen Dialogus« erstrebt eine Reform der
Kirche. Deshalb setzt auch er zunächst den Klerus, den geistlichen Stand,
der sich als Kirche versteht, der Kritik aus. Recht und Maßstab der
Kritik leiten sich aus der Schrift ab, die als göttliches Gesetz allen
menschlichen Gesetzen der Kirche vorgeordnet ist:
Die Lehre der Kirche ist falsch, wenn sie die geistliche Gewalt über
die weltliche setzt. Es darf auch keine menschlichen Zusätze zur Schrift
geben, die ihren Inhalt verdunkeln. Das Leben der Kirche wird be-
stimmt von Habsucht, Herrschsucht und Unzucht. Die Kritik schreitet
vom oberen zum niederen Klerus fort.
Doch nicht nur der geistliche, auch der weltliche Stand ist moralisch
zerrüttet. Das Übel der Habsucht hat Landesherren, Städter und Bauern
verdorben. Von diesem Hintergrund hebt sich das Reformprogramm
des Schönen Dialogs ab: Herrschsucht und Habsucht des geistlichen
Standes müssen ein Ende haben: Den Geistlichen gebührt keine welt-
liche Gewalt, denn sie sollen nicht Herren, sondern Diener ihrer Ge-
meinden sein. Auch sie müssen der weltlichen Gewalt untertan sein.
75. Vgl. Götze, a.a.O., S. 50.
76. Vgl. Götze, a.a.O., S. 53; Summary, Neudr. 1891, S. 57.
77. Vgl. Götze, a.a.O., S. 58-60.
 
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