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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0040
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

h. Evangelium und alle warhaffte lehre und rede, das du erkant, gelobet und geprisen
und under deinem volck dein reich und alles guts angerichtet, erhalten und gemehret
wurt. Was thüt aber die falsche zung? Rottet sie nit gentzlich aus, so vil an ir, dein wort
und gantze religion und stifftet, erhaltet und mehret in deinem volck allen grewlichsten
abfall von dir, alle erschrocklichste abgotterei, zwitracht, uffrür, blütvergiessen und 5
alle not und mord an leib und seel? Wie magstu dann der falschen Zungen, deiner ergi-
sten feindin, so vil fürgangs107 lassen? Wie kanstu ir so lang Zusehen108? Du, ein Gott
der warheit, von dem doch dein heiliger geist singet, daz du die lugner umbbringest und
ein grewel hast an dem blutgirigen und falschen?
Uff solichen verstand vergleichet sich109 dise klage dem, daz die gleubige gemeinde im 10
xxx. Psalmen [10] bettet: Was ist nutz an meinem blut, wenn ich todt bin ? wurt dir auch
der staub dancken und deine traw verkündigen? Item im cxv. [17.18]: Die todten wer-
den dich, Herr, nit loben noch die | C 2 a | hinunderfahren in die stille, sonder wir loben
den Herren von nun an bis in ewigkeit.
Und auff solichen verstandt hatt diser vers den tröst in sich: Lieber Gott und vatter, 15
die falsche zung bringt ja und gibt dir nichs, lestret und schmehet dich aber und verder-
bet dein volck; darumb würstu ir die lenge110 nit Zusehen, sonder sie zerbrechen und
zerstören und mich von irem gifft und schaden erretten.
Will man aber disen vers als gegen dem, der die falsche Zungen übet, verstohn, so hat
er den sinn und tröst: Du armer mensch, was hilfft dich doch, was nutzet dir doch deine 20
falsche Zunge? Damit du Gott so grewlich schmehest und lesterest und die leut verfürest
und verderbest, Und dich selb also in alles und ewiges Unglück stürtzest? Dann du doch
in dem netz, das du uns mit deinen liegen legest, must stecken bleiben und in der grü-
ben, die du uns grabest, ewiglich verderben, psalm xxxv [7]. Davon auch der Ixiiii. Psalm
[9]: Ire eigene Zungen wurt sie feilen, das ihr spotten wurdt, wer sie sihet. Daher kommet 25
dann dem gleubigen hertzen der tröst, daz alles falsche liegen, alles verderben, daz alle
gottlosen lehren und alles mordrisch angeben111 und uffrüren, das die falschen Zungen
treiben und anrichten, entlieh über sie selb muß ausgehn112 und den gleubigen zu gutem
kommen und gereichen, Ob sie wol die ein zeit hefftiglich und grewlich peinigen und
marteren. Davon der folgende vers singet. 30

IIII Sie ist wie scharffe pfeil, von einem starcken geschossen,
und wie weckholter kolen113.
JA, diser vers will uns die bittere pein und den gifftigen schaden, den die falschen Zungen
anrichten, | C 2 b | mit diesen zweien gleichnüssen etwas besser zu gemüt füren114 und
107. Fortschreiten, Ausbreiten (räumlich).
108. Psal. 5 [7]. [Marg.J.
109. Kommt gleich, entspricht.
110. Auf die Dauer. Götze, S. 150.
in. Zu Mord (und Aufruhr) anstiften. Lexer 1, Sp. 69.
112. Sie selbst muß treffen.
113. Die Ginsterholzkohle gilt als besonders heizkräftig, da sie aus dem harten und fetthaltigen
Holz des Wacholders (weckholter) gewonnen wird. Vgl. Anm. 15.
114. Stärker einprägen, besser verdeutlichen.
 
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