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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0070
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

Das mir aber dise leut so hoch verkeren, das ich das Decanat im stifft zu S. Thoman
angenomen, in dem sich der gantz Gropperisch hauffen solle auch seer unnütz gemacht
haben57, ist ja seltzam zu hören. Dann ist ein Decanat ein onehrlicher dienst, warumb
prangen sie dann so vast58 mit solchem titel? Ist er ehrlich, warumb schelten sie in dann
an mir? Dann, wie vor gemeldt, hab ich in an im selb, und so man im mit dem dienst 5
trewlich nachkommet, nie verworffen.
Das aber ich dis ampt angenomen, hiezu haben mich dise Ursachen bewegt: Erstlich,
das einem Collegio und versamlung gelerter, gotseliger menner und jungen dienen zu
erhaltung christlicher einigkeit und zücht - welches dann des Dechans eigentlich ampt
und dienst sein solle - an im selb ein guter Gottesdienst ist. Nun in disem | G 3 a | unse- 10
rem Collegio war damals nur einer59, nu ist gar keiner meer, der sich nit zur waren
christlichen Religion halte und bekenne. So sind, ausgenomen ein wenig jungen auff
dem Stifft, alle personen in würklichem dienst der kirchen an der seelsorg oder Schulen
oder versehung und erhaltung des Stiffts zum dienst der kirchen60. Da sind zwen Doc-
tores Theologi, die die h. Schrifft in der Schul lesen, deren einer ein pfarr darzü und 15
auch gemeine predigen versihet61. Item sunst noch fünff, die im pfarr- und predigampt
würcklich dienen. Da ist auch ein stat für einen Doctorem iuris, der die Instituciones
liset, ein Doctor Medicine, der in Philosophia liset, Item einer, der mitt der philosophia
Dialecticam und Rhetoricam lehret, Item einer, der linguam grecam liset und hilffet, ob
ner von B.s Handschriften. Was von B. im Druck vorliegt, zeigt ihn vorwiegend als Kirchenpoliti-
ker und Polemiker, in deren Schatten der Theologe und Seelsorger steht. Deshalb sind uns B.s
Bücher zwischen 1546 und 1548 besonders wichtig. Wenigstens die drei Titel Bibi. 89. 94. 96 haben
einen seelsorgerlichen Ansatz. Wenn sein Briefwechsel einmal überschaubar vor uns liegen wird,
wird B.s Bild als Seelsorger noch stärker an Konturen gewinnen. Noch ist unsere Kenntnis dieses
Mannes bruchstückhaft. Es gibt von ihm auch noch keine kritischen Ansprüchen genügende Le-
bensbeschreibung. Wahrscheinlich ist der Grund für die weithin feststellbare Unsicherheit unseres
geschichtlichen Urteils über B. in der Tatsache zu sehen, daß man B. bei der Planung des Corpus
Reformatorum übergangen hat. Heute erst, da seine Werke langsam erscheinen, wird dieses Ver-
säumnis in seiner Bedeutung für die Reformationsgeschichte erkennbar. Darauf hingewiesen zu
haben, ist das Verdienst des Vortrags, den H. Bornkamm anläßlich der 400. Wiederkehr des Todes-
tages B.s in Heidelberg gehalten hat: Martin Bucers Bedeutung für die europäische Reformations-
geschichte. In: SVRG 169. 1952.. Dabei seien die wertvollen Vorarbeiten nicht verkannt, die zuvor
schon etwa G. Anrich und /. Adam geleistet haben.
57. Unnötig ereifert, aufgeregt. Lexer 2, Sp. 1921: frustra.
58. Stark, sehr. Lexer 3, Sp. 29.
59. B. meint wahrscheinlich Nicolaus Wurmser, der 1536 starb. Im Jahre 1541 waren aus der
Zeit vor 1523 als Stiftsherren noch im Amt B. F. Pfeffinger, Jacob Bopp, Laurentius Schenckbecher,
Adam Helt und Sebastian Wurmser (nach Knod, Die Stiftsherren).
60. Mit was leuten das Collegium zu Sant Thoman zu Straßburg bestellet. [Marg.J. - Zu B.s
Neugestaltung des Thomasstifts vgl. seine Schrift >De reformatione collegii Canonici scriptum
M. Buceri< in Tomus Anglicanus, f. i92ff. (Bibi. Nr. 117). Dazu Röhrich, Gesch. 1, S. 261L;
Adam, S. 151. - Nach Knod, Die Stiftsherren, waren 1539 von 30 Kanonikatspfründen noch 23
Sinekuren, während nur 7 der Besoldung von Predigern und Lehrern dienten. Zehn Jahre später
waren von den noch bestehenden Pfründen (22) nicht weniger als 16 an Männer im Kirchen- und
Schuldienst vergeben, 3 für Stipendiaten bestimmt und 2 dienten der Stiftsverwaltung. Vgl. BDS 7,
S. 571.
61. Dr. Johann Marbach, seit April 1546 Kanoniker, Pfarrer an St. Thomas, und Petrus Martyr
Vermigli, Lehrer an der Hohen Schule.
 
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