Einleitung
Inhalt
Bucers Schrift >Der CXX. Psalm* 1 hatte einen konkreten Anlaß gehabt: In Köln war
eine anonyme Schrift in deutschen Versen erschienen, die so viel Falsches und Halb
wahres über sein Leben und seinen Dienst berichtete, daß er sich umgehend und öffent
lich dagegen verwahren mußte 2 . In besonderer Weise war die kleine evangelische Ge
meinde in Bonn beunruhigt, stand sie doch unter Angriffen, die bei den Verleumdungen
der protestantischen Führer in der Wahl der Mittel nicht kleinlich waren. Darum wid
mete Bucer ihr, mit der er seit den Jahren des Kampfes um die »Kölner Reformation«
eng verbunden war, seine Verteidigungsschrift. Dieses Nachspiel einer Zeit großer
Hoffnungen und Erwartungen stärkte die »Gemeinschaft am Evangelium«, die zwi
schen dem Straßburger Reformator und den Gemeindegliedern in Bonn bestand.
Die Jahre 1546 und 1547 brachten Luthers Tod, den Schmalkaldischen Krieg mit
seinem unglücklichen Ausgang, die Absetzung und Exkommunikation des Kurfürsten
und Erzbischofs Hermann von Wied und die Pläne des Kaisers für ein »Interim«, durch
das die Anhänger des neuen Glaubens bis auf weiteres zum Stillhalten gezwungen
werden sollten. In diesen sorgenvollen Monaten sind zwischen Bonn und Straßburg
mehrfach Briefe gewechselt worden, die uns freilich nicht mehr erhalten sind. Im
Herbst 1547 erschienen Abgesandte der Bonner Gemeinde in Straßburg, die von dem
traurigen Fortgang der Ereignisse im Erzstift Köln berichteten 3 . Sie baten Bucer, ihnen
eine »Trostschrift« für die »angefochtene Gemeinde« daheim mitzugeben. Bucer hatte
daraufhin begonnen, zwei Kapitel des Propheten Jesaja (50-51) auszulegen, fand aber
dann doch nicht die Zeit, diese Arbeit abzuschließen. Es läßt sich vermuten, daß er sie
von vornherein zu breit angelegt hatte. Darum schrieb er wenigstens einen »Sendbrief«,
von dem er selbst sagte, er habe ihn »in eil verzeichnet«. Hat er ihn den Rückkehrern als
Handschreiben mitgegeben und ihn danach erst drucken lassen? Hat er ihnen den
Druck nachgesandt? Das läßt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen, zumal uns Zeitpunkt
und Dauer des Bonner Besuchs nicht bekannt sind 4 . Jedenfalls entstand der Druck in
Straßburg, nachdem der Text im Herbst 1547 niedergeschrieben worden war und ist
noch vor Jahresende ausgegangen. Es waren jene Wochen, in denen die Straßburger
Prediger mit dem Rat leidenschaftlich um eine Neuordnung der Kirchenzucht und um
die Existenzberechtigung der neugeschaffenen Zuchtorgane, der »Christlichen Gemein
schaften«, rangen 5 .
Schon der Titel, den Bucer seinem Sendbrief gab, macht deutlich, daß die Schrift als
ein persönliches, seelsorgerliches Wort an die »angefochtene Gemeinde« verstanden
1. Vgl. diesen Bd., S. iyff.
2. >Abconterfeytung ... M. Butzers* (1546); CCath 31, 1974.
3. Vgl. C. Varrentrap, Herrmann von Wied, S. 269 ff.
4. Weder von den Briefen, die der >Sendbrief< erwähnt, noch von einem Konzept B.s zu dieser
Schrift finden sich Spuren in den Straßburger Archiven.
5. Vgl. W. Bellardi: Die Geschichte der »Christlichen Gemeinschaft« in Straßburg 1546—1550.
In: QFRG 18. Leipzig 1934. S. 38ff.
Inhalt
Bucers Schrift >Der CXX. Psalm* 1 hatte einen konkreten Anlaß gehabt: In Köln war
eine anonyme Schrift in deutschen Versen erschienen, die so viel Falsches und Halb
wahres über sein Leben und seinen Dienst berichtete, daß er sich umgehend und öffent
lich dagegen verwahren mußte 2 . In besonderer Weise war die kleine evangelische Ge
meinde in Bonn beunruhigt, stand sie doch unter Angriffen, die bei den Verleumdungen
der protestantischen Führer in der Wahl der Mittel nicht kleinlich waren. Darum wid
mete Bucer ihr, mit der er seit den Jahren des Kampfes um die »Kölner Reformation«
eng verbunden war, seine Verteidigungsschrift. Dieses Nachspiel einer Zeit großer
Hoffnungen und Erwartungen stärkte die »Gemeinschaft am Evangelium«, die zwi
schen dem Straßburger Reformator und den Gemeindegliedern in Bonn bestand.
Die Jahre 1546 und 1547 brachten Luthers Tod, den Schmalkaldischen Krieg mit
seinem unglücklichen Ausgang, die Absetzung und Exkommunikation des Kurfürsten
und Erzbischofs Hermann von Wied und die Pläne des Kaisers für ein »Interim«, durch
das die Anhänger des neuen Glaubens bis auf weiteres zum Stillhalten gezwungen
werden sollten. In diesen sorgenvollen Monaten sind zwischen Bonn und Straßburg
mehrfach Briefe gewechselt worden, die uns freilich nicht mehr erhalten sind. Im
Herbst 1547 erschienen Abgesandte der Bonner Gemeinde in Straßburg, die von dem
traurigen Fortgang der Ereignisse im Erzstift Köln berichteten 3 . Sie baten Bucer, ihnen
eine »Trostschrift« für die »angefochtene Gemeinde« daheim mitzugeben. Bucer hatte
daraufhin begonnen, zwei Kapitel des Propheten Jesaja (50-51) auszulegen, fand aber
dann doch nicht die Zeit, diese Arbeit abzuschließen. Es läßt sich vermuten, daß er sie
von vornherein zu breit angelegt hatte. Darum schrieb er wenigstens einen »Sendbrief«,
von dem er selbst sagte, er habe ihn »in eil verzeichnet«. Hat er ihn den Rückkehrern als
Handschreiben mitgegeben und ihn danach erst drucken lassen? Hat er ihnen den
Druck nachgesandt? Das läßt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen, zumal uns Zeitpunkt
und Dauer des Bonner Besuchs nicht bekannt sind 4 . Jedenfalls entstand der Druck in
Straßburg, nachdem der Text im Herbst 1547 niedergeschrieben worden war und ist
noch vor Jahresende ausgegangen. Es waren jene Wochen, in denen die Straßburger
Prediger mit dem Rat leidenschaftlich um eine Neuordnung der Kirchenzucht und um
die Existenzberechtigung der neugeschaffenen Zuchtorgane, der »Christlichen Gemein
schaften«, rangen 5 .
Schon der Titel, den Bucer seinem Sendbrief gab, macht deutlich, daß die Schrift als
ein persönliches, seelsorgerliches Wort an die »angefochtene Gemeinde« verstanden
1. Vgl. diesen Bd., S. iyff.
2. >Abconterfeytung ... M. Butzers* (1546); CCath 31, 1974.
3. Vgl. C. Varrentrap, Herrmann von Wied, S. 269 ff.
4. Weder von den Briefen, die der >Sendbrief< erwähnt, noch von einem Konzept B.s zu dieser
Schrift finden sich Spuren in den Straßburger Archiven.
5. Vgl. W. Bellardi: Die Geschichte der »Christlichen Gemeinschaft« in Straßburg 1546—1550.
In: QFRG 18. Leipzig 1934. S. 38ff.