EIN SENDBRIEVE MARTINI BUCERI
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etwas übersehen, sonder die zücht Christi an denen zum scherffisten üben, deren be-
felch in der kirchen grosser ist und weiter reichet55.
Diß habt ir, lieben brüder, ja dar und überflüssig56 also beschriben in Gotlicher
Schrifft allenthalben wie auch bei allen alten heiligen Vätteren. Und kan es ein jeder
5 leicht sehen und erkennen allein aus dem, das unser lieber Herre durch seinen eigen
Gotlichen mund und durch seine h. Apostel davon gesetzet und zeuget hat Math, io
[5-2,6] und am letsten [18-20]; Johan. 10 [1-16] und 20 [19-23]; Acto. 1 [21-26], 2
[44-47], 6 [1-7],9 [15-17], 13[16-41], 14 [11-18], 15 [22-29], zolI7~3^]> 1. Corinth. 12
[1-11.28-31]und 14 [1-5.26-33]; Ephes.4 [1-7. 11-16.22-32]; i.Thessa. 2 [1-12]und
10 in den Epistolen zum Timotheo und Tito57 durchaus. Item in den Canonibus der alten
Concilien, in den bücheren De sacerdotio Chrysostomi und Apologetico Gregorii
Nazanzeni und auch in den vordrigen titulen C[odicum] Justiniani und Authent[ica-
rum] de rebus ecclesiasticis58.
Zum dritten: So werdet ihr auch wol aus aller Schrifft das erkennen, das man nieman
15 vor einen waren Christen und von der herde Christi mag erkennen und halten, dann
allein die das h. Evangelion, die jetz gesummierte59 lehre, die stimm ires einigen güten
hirten von hertzen gern hören und ir glauben und folgen. | B 3 a| Und wie sie im h.
Tauff dem herren Christo eingeleibet sind, sich zu seiner Gemeinde und allen Christen
als zu ihren mitglidern in Christo in aller liebe und gemeinschafft Christi halten, Die
2.0 feirtage des herren gentzlich heiligen, uff die kein zeitlich geschefft, das nit das heil der
menschen onvermeidlich60 erfordere, thün; In die versamlung des Herren mit aller
begirden und Gottesforcht komen, das wort des Herren da hören, mit betten und Gott
loben ire opffer dem Herren reihlich bringen, die dann zur notturffte der brüder also
ußgespendet werden sollen, das niemand in der Gemeinde des Herren mangel leide; Die
25 heil. Sacrament des leibs und blüts des Herren also empfahen, das sie im glauben an in
immer gestercket werden, in im bleiben und er in inen, und in im mit allen gleubigen ein
brot und leib seien, eines hertzens und einer seelen under einander61.
55. An dieser Stelle wird der Unterschied zu der Situation des Vorjahres (>CXX. Psalm< von
1546) besonders deutlich. Jetzt zeichnen sich im Hintergrund die Kämpfe um die »Christliche
Gemeinschaft« in Straßburg ab. Vgl. W. Bellardi, Die Geschichte, S. 38ff. - Die Durchführung der
Gemeindezucht wird hier in erster Linie von den »Dienern«, d. h. von den kirchlichen Amtsträ-
gern, gefordert. In Bonn ist die bisherige weltliche Obrigkeit, der Kurfürst Hermann von Wied,
bereits entmachtet und durch Gegner der evangelischen Lehre (Koadjutor Adolf von Schaumburg)
ersetzt. Die Begriffe »niemand gedulden« — »uffsehen uffeinander« — »niemand etwas übersehen«
u. a. m. sind termini technici, die 1546/47 auch in den Handschriften zur Gemeinschaftsfrage
immer wieder erscheinen und in den Wortschatz B.s zur Kirchenzucht gehören.
56. Überreichlich (auch: ganz ausführlich). Lexer 2, Sp. 1675.
57. Vgl. iTim 3,1-13; 4,6-16; 2Tim 2,1-13; 4>5~8; Tit 1,7-9.
58. Vgl. Joh. Chrysostomus: De sacerdotio 3,15; 4,8; 6,2.4; MSG48, Sp. 652-54; 670-72; 679;
680-82; Gregor von Nazianz: Oratio 2. Apologetica 3.10-36; MSG 35, Sp. 410. 419-443. - Die
Schrift des Chrysostomus schöpft in vieler Hinsicht aus der des Gregor v. Nazianz; vgl. J. Volk:
Die Schutzrede des Gregor von Nazianz und die Schrift über das Priestertum von Johannes Chry-
sostomus. In: Zeitschr. für Praktische Theologie 17. 1895. S. 56-83. - Vgl. auch Corpus Iuris
Civilis, Cod. 1,3.
59. Zusammengefaßte (das Evangelium als Summa Theologiae).
60. Das Wohl unumgänglich verlange.
61. Die Beschreibung eines rechten, Gott wohlgefälligen Gemeindelebens, besonders deutlich an
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etwas übersehen, sonder die zücht Christi an denen zum scherffisten üben, deren be-
felch in der kirchen grosser ist und weiter reichet55.
Diß habt ir, lieben brüder, ja dar und überflüssig56 also beschriben in Gotlicher
Schrifft allenthalben wie auch bei allen alten heiligen Vätteren. Und kan es ein jeder
5 leicht sehen und erkennen allein aus dem, das unser lieber Herre durch seinen eigen
Gotlichen mund und durch seine h. Apostel davon gesetzet und zeuget hat Math, io
[5-2,6] und am letsten [18-20]; Johan. 10 [1-16] und 20 [19-23]; Acto. 1 [21-26], 2
[44-47], 6 [1-7],9 [15-17], 13[16-41], 14 [11-18], 15 [22-29], zolI7~3^]> 1. Corinth. 12
[1-11.28-31]und 14 [1-5.26-33]; Ephes.4 [1-7. 11-16.22-32]; i.Thessa. 2 [1-12]und
10 in den Epistolen zum Timotheo und Tito57 durchaus. Item in den Canonibus der alten
Concilien, in den bücheren De sacerdotio Chrysostomi und Apologetico Gregorii
Nazanzeni und auch in den vordrigen titulen C[odicum] Justiniani und Authent[ica-
rum] de rebus ecclesiasticis58.
Zum dritten: So werdet ihr auch wol aus aller Schrifft das erkennen, das man nieman
15 vor einen waren Christen und von der herde Christi mag erkennen und halten, dann
allein die das h. Evangelion, die jetz gesummierte59 lehre, die stimm ires einigen güten
hirten von hertzen gern hören und ir glauben und folgen. | B 3 a| Und wie sie im h.
Tauff dem herren Christo eingeleibet sind, sich zu seiner Gemeinde und allen Christen
als zu ihren mitglidern in Christo in aller liebe und gemeinschafft Christi halten, Die
2.0 feirtage des herren gentzlich heiligen, uff die kein zeitlich geschefft, das nit das heil der
menschen onvermeidlich60 erfordere, thün; In die versamlung des Herren mit aller
begirden und Gottesforcht komen, das wort des Herren da hören, mit betten und Gott
loben ire opffer dem Herren reihlich bringen, die dann zur notturffte der brüder also
ußgespendet werden sollen, das niemand in der Gemeinde des Herren mangel leide; Die
25 heil. Sacrament des leibs und blüts des Herren also empfahen, das sie im glauben an in
immer gestercket werden, in im bleiben und er in inen, und in im mit allen gleubigen ein
brot und leib seien, eines hertzens und einer seelen under einander61.
55. An dieser Stelle wird der Unterschied zu der Situation des Vorjahres (>CXX. Psalm< von
1546) besonders deutlich. Jetzt zeichnen sich im Hintergrund die Kämpfe um die »Christliche
Gemeinschaft« in Straßburg ab. Vgl. W. Bellardi, Die Geschichte, S. 38ff. - Die Durchführung der
Gemeindezucht wird hier in erster Linie von den »Dienern«, d. h. von den kirchlichen Amtsträ-
gern, gefordert. In Bonn ist die bisherige weltliche Obrigkeit, der Kurfürst Hermann von Wied,
bereits entmachtet und durch Gegner der evangelischen Lehre (Koadjutor Adolf von Schaumburg)
ersetzt. Die Begriffe »niemand gedulden« — »uffsehen uffeinander« — »niemand etwas übersehen«
u. a. m. sind termini technici, die 1546/47 auch in den Handschriften zur Gemeinschaftsfrage
immer wieder erscheinen und in den Wortschatz B.s zur Kirchenzucht gehören.
56. Überreichlich (auch: ganz ausführlich). Lexer 2, Sp. 1675.
57. Vgl. iTim 3,1-13; 4,6-16; 2Tim 2,1-13; 4>5~8; Tit 1,7-9.
58. Vgl. Joh. Chrysostomus: De sacerdotio 3,15; 4,8; 6,2.4; MSG48, Sp. 652-54; 670-72; 679;
680-82; Gregor von Nazianz: Oratio 2. Apologetica 3.10-36; MSG 35, Sp. 410. 419-443. - Die
Schrift des Chrysostomus schöpft in vieler Hinsicht aus der des Gregor v. Nazianz; vgl. J. Volk:
Die Schutzrede des Gregor von Nazianz und die Schrift über das Priestertum von Johannes Chry-
sostomus. In: Zeitschr. für Praktische Theologie 17. 1895. S. 56-83. - Vgl. auch Corpus Iuris
Civilis, Cod. 1,3.
59. Zusammengefaßte (das Evangelium als Summa Theologiae).
60. Das Wohl unumgänglich verlange.
61. Die Beschreibung eines rechten, Gott wohlgefälligen Gemeindelebens, besonders deutlich an