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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0101
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EIN SENDBRIEVE MARTINI BUCERI

97

Gottlosisten leben, dennoch sich irer Messen vor Gott getrosten und darumb, da sie
schon alle gepott Gottes auffs grewlichst under die füs tretten, doch ir Messe zu hören
nit versäumen.
| C ia | Haben also diß Sacrament, das uns zum krefftigsten solle dienen zu warer rew
5 und absterben der sünden und zu dem glauben an Christum, der zu aller gerechtigkeit
thätig ist, zu einer erschrocklichsten abgotterei gemacht und stercke in sünden89,
durch die der Son Gottes mit füssen getretten wurt und sein thewres blut onrein geach-
tet. Heb. io [29]. Welche verkerung dieses heiligsten Sacrament sie erst mit der newen
Pompen ires fürsteilens und umbhertragens so geferlich gehauffet haben, Da man,
10 anstatt der ernsten Verkündigung des tods Christi und drauff folgends creutzigen und
tödten des alten Adams und trotz himlischer freuden ab der gnaden Gottes und seligen
gemeinschafft Christi, so weltlichen pracht und fleischliche kurtzweil und Üppigkeit90
treibet, wie die Heiden in ihren Gotztrachten91 zu thün gepfleget.
Was solle man dann sagen von der verkerung des h. Tauffs mit so vil onverstandenem
15 abergleubischen und auch weltlichem üppigen geprenge, das bei der tauffhandlungen
getriben würt? Desgleichen von der Büsverkerung92, die sie mit irem Scheinbeichten
und -büssen, heimlichen und offenem, item mitt ihrem so thewr brachten Ablas haben
angerichtet?
Was dann von dem aberglauben und Zerstörung des waren glaubens an unseren
2.0 herren Jesum Christum, den sie haben angerichtet durch ire new erdichten Sacramen-
ten, ires weihewaasers, saltz, speisen, kleideren, kreuteren93, kertzen, äschen94,
gotzen, kirchen, altaren und schier aller ding? Lieber herre Jesu Christe, du einiger
guter Hirt deiner herde, erlöse dein volck von diesen verderblichsten verkerungen
deiner heiligsten Worten und Sacramenten! Amen.
2.5 Nun, wie dise armen verderbten leut unseren Gott und heiland, sein wort und Sacra-
ment so grewlich verkeret und ihn nit, wie er sich inen hat zu erkennen gegeben und
über alles sein volck erhöhet, geehret, also hat er sie auch vor allen Stenden und
| C ib | leuten uff erden in verketten sinn gestürtzet, das sie von aller seiner zücht uffs
verderblichst verfallen sind. Alle ire wähl und bewehrung95 zum kirchendienst haben sie
30 vom volck Christi und den Oberkeiten genomen und sie denn auch under inen zünicht
gemacht, Alle Prelaturen und Pfründen, und die höchsten am meisten, nach fleischli-
chem gunst und genieß, das ist: simoneisch, verlauhen96 und mit der zeit allen gewalt
der Kirchen auch wider alle Schrifft und Vätterlehr, wider Canones und leges dem
Papst zu Rom ergeben und verpflichtet, Der es mit der zeit dahin gebracht, das er durch
35 seine offenbare simoneischen Collationen, Confirmationen, Pallien und dergleichen
89. Bestärkung im (fortdauernden) Sündigen.
90. Vergnügen (als Zeitvertreib) und Leichtfertigkeit. Lexer 2, Sp. 1999.
91. Tracht = das Tragen. Umzug mit Götzenbildern.
92. Verdrehung (Verfälschung) der Buße.
93. Heilkräutersegen.
94. Aschenkreuz (als äußere Bußzeichen).
95. Auswahl, Erprobung.
96. Auf simoneische Weise übertragen (Ämter verleihen, nachdem zuvor dafür Geld bezahlt ist).
Zu »simoneisch« vgl. Apg 8,18 f.; zu »verlihen« Lexer 3, Sp. 164t. Im Alemannischen gilt die Form
»geluhen« als Part. Perf. Sie tritt hier hyperkorrekt mit Diphthongierung auf (ü>au).
 
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