DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
172
Johannis am zwentzigsten [23]: nemmet hin den heiligen geist, wem jhr die sund verge-
ben, dem sindt sie vergehen. Wem | b 2a | Jhr sie vorbehaltten, dem sindt sie behaltten;
Item Mathei am achtzehenden [18]: Was jhr vff erdenn binden werdett, soll auch jm
himmel gebunden sein, vnnd was ihr vff erden lösen werden, soll auch jm himel loß sein
etc. zweyerley gebott vnnd vnderschiddenliche befelch sind. 5
Denn getzwungen wurt man vnd ist gebotten, mennigklich on allen vnderschidd,
würdigen vnd vnwurdigen, das Euangelium zu predigen, damitt die guthen vnnd erwö-
leten an jhrem heil nit gehindertt werden, die bösen aber vnd verworfenen ihres verder-
bens kein enttschuldigung haben; aber nitt also haltt sichs mitt der absolution vnd dem
Bann, denn es können ia nicht alle menschen on allenn vnderscheidt absoluiertt vnd der 10
sunden loß gesprochen werden, dieweil nitt jederman die sund erkennet vnd dem Euan-
gelio glaubet, so kan man auch nitt alle menschen verbannen vnnd dem Teuffel vber-
gebenn, dieweil doch allweg ettlich erfunden, die durch die mundtlich predig zur büß
bewegt wordenn vnnd vmb Vergebung jhrer sunden bei der kirchen ansüchen. Sonder
gebotten ists, die allein jhrer sunden zu entlaßen, die vber die selbigen rew vnnd leid 15
vnnd ein hertzlich mißfallen tragen vnnd, jhr leben zu beßern vnd nach dem heiligen
Euangelio anzürichten, Zusagen. So sollen auch allein disen jhre sunden vorbehaltten
vnd vß der gemein Gottes außgeschloßen werden, die, nach dem sie das Euangelium
gehört vnd erkant haben vnd doch darnach würdigklich nitt leben, sonder jnn schänd
vnnd läster, ob sie wol zum ersten vnnd andern mal sonderlich vnnd freuntlich gewar- 20
nett vnd zum dritten für die kirchen gestehen worden, doch gleichwol bestendlich
verharren; von solchen redet Christus in dem Euangelio, das sie als vnduchtige, faule
glidder sollen von dem gesunden leib abgeschnitten werdenn92.
Denn der gewalth der schlußel ist nitt vff die zu ziehen93, die das Euangelium nie
erkandt vnnd gehörtt haben noch zu erkennen | b 2b | Oder zühören begeeren; mitt 2.5
solchenn hatt die kirch Christi nicht züschaffen, kan sie weder vffnemmen noch absol-
uieren, dieweil sie nicht körnen, das Euangelium hören vnnd vmb Vergebung der sund
ansuchenn; so kan sie solche auch nicht von ihr außschließen vnd absunderen, dieweil
sie doch nie by jhr noch jhrer gemeinschafft gewesen sindt; sonder solche werden durch
jhre selbs angeborne vnd gethone sunde verdampt, die weil ihre sund nit durch Chri- 30
stum, den sie nicht hören wollen, weg genommen werden, nach der Predig Johannis des
Teuffers: Wer dem sün nicht glaubet, der wurt das leben nichtt sehen, sonder der zorn
Gottes pleibett vber jhm94-, vnnd der herr Christus selber zu den Phariseern spricht:
Weret ihr blind, so bettend ihr keine sunde, nü ihr aber sprecht: Wir seind sehend, pleibt
euwere sunde95. 35
Derhalben so die absolution rechtgeschaffen96 soll jnn der kirchen geuebett werden,
so muß man zuuor eine oder mehr personen haben, die ihre sund vnnd vnwirdigkeit von
hertzen erkennen, darüber reuw vnnd leid tragen vnnd also demnach von der kirchen
solcher jhrer sunden Verzeihung vß krafft des heyligen Euangelij begeeren; darumb dan
92. Vgl. Mt 5,29.
93. Beziehen.
94. Jo 3,36.
95. Jo 9,41.
96. Richtig, rechtmäßig.
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Johannis am zwentzigsten [23]: nemmet hin den heiligen geist, wem jhr die sund verge-
ben, dem sindt sie vergehen. Wem | b 2a | Jhr sie vorbehaltten, dem sindt sie behaltten;
Item Mathei am achtzehenden [18]: Was jhr vff erdenn binden werdett, soll auch jm
himmel gebunden sein, vnnd was ihr vff erden lösen werden, soll auch jm himel loß sein
etc. zweyerley gebott vnnd vnderschiddenliche befelch sind. 5
Denn getzwungen wurt man vnd ist gebotten, mennigklich on allen vnderschidd,
würdigen vnd vnwurdigen, das Euangelium zu predigen, damitt die guthen vnnd erwö-
leten an jhrem heil nit gehindertt werden, die bösen aber vnd verworfenen ihres verder-
bens kein enttschuldigung haben; aber nitt also haltt sichs mitt der absolution vnd dem
Bann, denn es können ia nicht alle menschen on allenn vnderscheidt absoluiertt vnd der 10
sunden loß gesprochen werden, dieweil nitt jederman die sund erkennet vnd dem Euan-
gelio glaubet, so kan man auch nitt alle menschen verbannen vnnd dem Teuffel vber-
gebenn, dieweil doch allweg ettlich erfunden, die durch die mundtlich predig zur büß
bewegt wordenn vnnd vmb Vergebung jhrer sunden bei der kirchen ansüchen. Sonder
gebotten ists, die allein jhrer sunden zu entlaßen, die vber die selbigen rew vnnd leid 15
vnnd ein hertzlich mißfallen tragen vnnd, jhr leben zu beßern vnd nach dem heiligen
Euangelio anzürichten, Zusagen. So sollen auch allein disen jhre sunden vorbehaltten
vnd vß der gemein Gottes außgeschloßen werden, die, nach dem sie das Euangelium
gehört vnd erkant haben vnd doch darnach würdigklich nitt leben, sonder jnn schänd
vnnd läster, ob sie wol zum ersten vnnd andern mal sonderlich vnnd freuntlich gewar- 20
nett vnd zum dritten für die kirchen gestehen worden, doch gleichwol bestendlich
verharren; von solchen redet Christus in dem Euangelio, das sie als vnduchtige, faule
glidder sollen von dem gesunden leib abgeschnitten werdenn92.
Denn der gewalth der schlußel ist nitt vff die zu ziehen93, die das Euangelium nie
erkandt vnnd gehörtt haben noch zu erkennen | b 2b | Oder zühören begeeren; mitt 2.5
solchenn hatt die kirch Christi nicht züschaffen, kan sie weder vffnemmen noch absol-
uieren, dieweil sie nicht körnen, das Euangelium hören vnnd vmb Vergebung der sund
ansuchenn; so kan sie solche auch nicht von ihr außschließen vnd absunderen, dieweil
sie doch nie by jhr noch jhrer gemeinschafft gewesen sindt; sonder solche werden durch
jhre selbs angeborne vnd gethone sunde verdampt, die weil ihre sund nit durch Chri- 30
stum, den sie nicht hören wollen, weg genommen werden, nach der Predig Johannis des
Teuffers: Wer dem sün nicht glaubet, der wurt das leben nichtt sehen, sonder der zorn
Gottes pleibett vber jhm94-, vnnd der herr Christus selber zu den Phariseern spricht:
Weret ihr blind, so bettend ihr keine sunde, nü ihr aber sprecht: Wir seind sehend, pleibt
euwere sunde95. 35
Derhalben so die absolution rechtgeschaffen96 soll jnn der kirchen geuebett werden,
so muß man zuuor eine oder mehr personen haben, die ihre sund vnnd vnwirdigkeit von
hertzen erkennen, darüber reuw vnnd leid tragen vnnd also demnach von der kirchen
solcher jhrer sunden Verzeihung vß krafft des heyligen Euangelij begeeren; darumb dan
92. Vgl. Mt 5,29.
93. Beziehen.
94. Jo 3,36.
95. Jo 9,41.
96. Richtig, rechtmäßig.