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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
schlechts, verachtlichs, nichtlichs 140 ding, sonder ist gewiß, das die, so jnn Verachtung
des banns blyben, nitt allein dort ein vngnedigen Gott haben, als denen jhre sund vorbe-
haltthen sind, sonder | [b 6b] | Zun zeitten auch hie mitt leiblichem straffen vnnd plagen
heimgesücht werden. Denn gewißlich der kirchen vnd gottsfurchtigen segnen vnd
verfluchen ist krefftig. Gene[sis] [12,3]: Ich will die segnen, die dich segnen, vnd die 5
verfluchen, die dir fluchen etc.
Dieweil dann nun das verbannen ein solche wichtige sach ist, damitt sich niemans
doran vergriffe, zu geschwind vnd freuenlich damit fare, So hatt vnns abermols vnser
lieber heiland hierinn gedienet vnd selbs die weiß vnd form, ordenlich zu procedie-
ren 141 , furgeschribben, Mathei am 18. [15-17], Da er sprichtt: Sundigett din bruder an 10
dir, so geh hin vnd straffe ihn zwischen dir vnd ihm allein; höret er dich nitt, so nim zu
dir noch einen oder zwen, vff das alle sache besteh vff zweyer oder dreyer zeugen
munde; höret er die nit, so sags der kirchen; höret er die kirchen auch nit, so haltjhn als
ein hey den vnnd zölner etc. mitt dißen worthen leeret er vnns, das erstlich sich ein yeder
befleiße, das er der sunden halb, damit sein nechster behafft ist, ein gut wißen habe vnd 15
demnoch allein zwischen jnen beiden jm freuntlichen 142 vß gottes wort züsprechen,
damitt er von solchen lästern, die der kirchen Ergerlich sein mochten, abstande vnnd
also furthan mitt jm der Ordnung für schreite, biß er jhn entweders zu der büß vnd
beßerung des lebens bewege oder aber, das er als ein vnnützes, dodtes glid von dem
gesunden leib abgeschnitten werde. 20
Dißem beuelch vnnd Ordnung Christi seindt auch hernaher die lieben Apostel vnnd
die erste Christenliche kirch getruwlich nachkomen, wie wir des ein fein Exempel haben
jnn der ersten zun Corinthem am 5. [1-5], da der heilig Paulus den hürer, der sein stieff-
müther zum weib genommen hat, verbannet vnd dem teuffel vbergabe; vnnd in
tripartita historia der heilig Ambrosius zu Meyland den keiser Theodosium von der 25
kirchenn vnd heiligen Sacramenten außschleißet, darumb das er zu Thessalonica vil
vnschuldiger leuth hatt laßen erwürgen vnd vmbringen [etc.] 143 .
| c 1 a | Diße zücht vnd disciplin der ersten kirchen hatt nitt allein vil großer läster
vnnd ergernus verhuettet, sonder auch große tugenden jnn den menschen gepflantzett
als gehorsam, demuetigkeit, gedulth, gelaßenheitt, kuscheit, freuntlicheit vnd liebe; da 30
hatt man auch liechtt die frucht des h. Euangelij gespueret: hatt jemands gesundigett vnd
ergerlich geleptt, so hatt er seine sund selber getragen, vnd ist nicht geschehen vnder
dem schein vnd namen des heyligen Euangelij. Sölten wir hie abermal vber dißen punc-
ten nit jnn den himel weh schreien vnd klagen, das so vbel jnn vnsern kirchen zügehett,
das alle solche züchtt vnd disciplin also gar darin zerfallen vnd zu nichten worden ist 35
vnd so gar niemands sich weder straffen noch warnen latth, dar, ob sich wol truwe
prediger, dies güt meinen, selbs rech v schreien 144 vnd predigen, die sunde vnnd läster
v) nach Rache; vgl. Anm. 144.
140. Unnützes, unwirksames. 141. Vorzugehen.
142. Ihm in freundlicher Weise (adv.).
143. Ambrosius nötigte im Jahre 390 Kaiser Theodosius d. Gr. zur Kirchenbuße; vgl. Historia
Ecclesiastica Tripartita 9,30; CSEL 71, S. 540-546.
144. Wahrscheinlich ist die Leseart: »rech«: Rache schreien; vgl. Anm. v).
DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
schlechts, verachtlichs, nichtlichs 140 ding, sonder ist gewiß, das die, so jnn Verachtung
des banns blyben, nitt allein dort ein vngnedigen Gott haben, als denen jhre sund vorbe-
haltthen sind, sonder | [b 6b] | Zun zeitten auch hie mitt leiblichem straffen vnnd plagen
heimgesücht werden. Denn gewißlich der kirchen vnd gottsfurchtigen segnen vnd
verfluchen ist krefftig. Gene[sis] [12,3]: Ich will die segnen, die dich segnen, vnd die 5
verfluchen, die dir fluchen etc.
Dieweil dann nun das verbannen ein solche wichtige sach ist, damitt sich niemans
doran vergriffe, zu geschwind vnd freuenlich damit fare, So hatt vnns abermols vnser
lieber heiland hierinn gedienet vnd selbs die weiß vnd form, ordenlich zu procedie-
ren 141 , furgeschribben, Mathei am 18. [15-17], Da er sprichtt: Sundigett din bruder an 10
dir, so geh hin vnd straffe ihn zwischen dir vnd ihm allein; höret er dich nitt, so nim zu
dir noch einen oder zwen, vff das alle sache besteh vff zweyer oder dreyer zeugen
munde; höret er die nit, so sags der kirchen; höret er die kirchen auch nit, so haltjhn als
ein hey den vnnd zölner etc. mitt dißen worthen leeret er vnns, das erstlich sich ein yeder
befleiße, das er der sunden halb, damit sein nechster behafft ist, ein gut wißen habe vnd 15
demnoch allein zwischen jnen beiden jm freuntlichen 142 vß gottes wort züsprechen,
damitt er von solchen lästern, die der kirchen Ergerlich sein mochten, abstande vnnd
also furthan mitt jm der Ordnung für schreite, biß er jhn entweders zu der büß vnd
beßerung des lebens bewege oder aber, das er als ein vnnützes, dodtes glid von dem
gesunden leib abgeschnitten werde. 20
Dißem beuelch vnnd Ordnung Christi seindt auch hernaher die lieben Apostel vnnd
die erste Christenliche kirch getruwlich nachkomen, wie wir des ein fein Exempel haben
jnn der ersten zun Corinthem am 5. [1-5], da der heilig Paulus den hürer, der sein stieff-
müther zum weib genommen hat, verbannet vnd dem teuffel vbergabe; vnnd in
tripartita historia der heilig Ambrosius zu Meyland den keiser Theodosium von der 25
kirchenn vnd heiligen Sacramenten außschleißet, darumb das er zu Thessalonica vil
vnschuldiger leuth hatt laßen erwürgen vnd vmbringen [etc.] 143 .
| c 1 a | Diße zücht vnd disciplin der ersten kirchen hatt nitt allein vil großer läster
vnnd ergernus verhuettet, sonder auch große tugenden jnn den menschen gepflantzett
als gehorsam, demuetigkeit, gedulth, gelaßenheitt, kuscheit, freuntlicheit vnd liebe; da 30
hatt man auch liechtt die frucht des h. Euangelij gespueret: hatt jemands gesundigett vnd
ergerlich geleptt, so hatt er seine sund selber getragen, vnd ist nicht geschehen vnder
dem schein vnd namen des heyligen Euangelij. Sölten wir hie abermal vber dißen punc-
ten nit jnn den himel weh schreien vnd klagen, das so vbel jnn vnsern kirchen zügehett,
das alle solche züchtt vnd disciplin also gar darin zerfallen vnd zu nichten worden ist 35
vnd so gar niemands sich weder straffen noch warnen latth, dar, ob sich wol truwe
prediger, dies güt meinen, selbs rech v schreien 144 vnd predigen, die sunde vnnd läster
v) nach Rache; vgl. Anm. 144.
140. Unnützes, unwirksames. 141. Vorzugehen.
142. Ihm in freundlicher Weise (adv.).
143. Ambrosius nötigte im Jahre 390 Kaiser Theodosius d. Gr. zur Kirchenbuße; vgl. Historia
Ecclesiastica Tripartita 9,30; CSEL 71, S. 540-546.
144. Wahrscheinlich ist die Leseart: »rech«: Rache schreien; vgl. Anm. v).