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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0365
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3. BRIEFMEMORANDUM

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füllt mit lateinischen Kirchenväterzitaten, worauf bereits in anderem Zusammenhang
hingewiesen wurde. Wir wissen, daß Bucer ein Florilegium Patristicum besaß, das er auf
Reisen unter Umständen auch mitnahm. Möglicherweise hat er schon in Ulm vorgear-
beitet, wo ihm sicher Quellen reichlich zur Verfügung standen. Es ist nicht auszuschlie-
ßen, daß er dort den vorletzten Textentwurf zum Interim, die sogenannte »Dezember-
formel«, einsehen konnte. Der Ulmer Bürgermeister Jörg Besserer, sein Gastgeber und
Freund, war Mitglied des vom Kaiser berufenen 16-köpfigen Interims-Ausschusses, der
im Februar mehrere Sitzungen abgehalten und den genannten Entwurf diskutiert hatte.
Immerhin war Bucer nach seinem Selbstzeugnis sieben Wochen in Ulm gewesen13.
Im dritten Teil des Memorandums (Briefschluß) wird noch einmal die summarische
Billigung des Interims ausgesprochen: »So ml... wüste ich ... meinen glauben vff furge-
gebne schrifften ... für meine person ... dahin gestehen, das ich solte mit furgegebner
schrifft einhellig sein, so ml ich mit Got immer thon konde« (S. 98E). Dieser Satz ist
sicher erst am 3. oder 4. April 1548 niedergeschrieben und stellt die letzte zurückhaltend
positive Äußerung Bucers zum Interim dar, wenn wir von seiner am 20. April mit
Gewalt erzwungenen Unterschrift unter das Interim und das Schlieben-Protokoll
absehen14. Die erzwungene Unterschrift ist übrigens sowohl politisch als auch theolo-
gisch ohne erkennbare Folgen geblieben.
Der Text
Die Würzburger Abschrift des Briefmemorandums zeigt vier verschiedene Schreiber-
hände mit jeweils ausgeprägten orthographischen Eigenheiten: 1) S. 11-23. -
2) S. 41-48 und97-ioi.~3) S. 49-72.-4) S. 73-96. Gemeinsamistihnen die Vorliebe
für Konsonantenverdoppelungen und Kürzel. Minuskeln oder Majuskeln werden
willkürlich gebraucht und sind zuweilen kaum voneinander zu unterscheiden. Der

13. Die »Dezemberformel« in: ARC 6, S. 258H. Die Mitglieder des Interims-Ausschusses zählt
die Liste Jakob Sturms in: Archives Municipales de Strasbourg, AA 563 A, f.85b auf. Die Sitzungen
fanden am 10., 11. und 20. Februar statt (vgl. Pol. Cor. 4, S. 85 5ff.).
14. Der Ablehnung der Unterschrift unter das Protokoll des brandenburgischen Kanzlers
Eustachius von Schlieben am 9. April (Pol. Cor. 4, S. 9iiff.; Bericht der Straßburger Gesandten
vom 12. April, Pol. Cor. 4, S. 9 20f.; Bericht der Nürnberger Gesandten vom 14. April, Pol. Cor. 4,
S. 918, Anm. 7) folgte erst ein Hausarrest, dann ab 17. April strenge kaiserliche Haft, die die Unter-
schrift und die unmittelbar folgende Abreise am 20. April bewirkte (Pol. Cor. 4, S. 919!., Anm. 7).
Zur Geschichte dieser Unterschrift vgl. W. Bellardv. Bucer und das Interim. In: Horizons euro-
peens de la Reforme en Alsace. Festschrift für H.-G. Rott. S. 267!!:. Demgegenüber hat die Nach-
richt Melanchthons geringes historisches Gewicht, soll aber der Vollständigkeit halber hier zitiert
werden. Melanchthon schreibt unter dem 13. August 1548 an Nicolaus Medler (im Zusammenhang
mit einem Besuch Marbachs in Wittenberg): »Scribit et Bucerus, valde laborasse quosdam Augustae,
ut subscriberet, sed nullam a se subscriptionem factam esse. Idem affirmat et Dominus Eustathius a
Slieben« (CR Mel 7, Sp. io2ff.). Der scheinbare Widerspruch könnte sich so aufklären lassen, daß
B. das Protokoll Schliebens im Auge hatte. Auch hat er in Straßburg kaum etwas von seinen Erfah-
rungen in Augsburg öffentlich mitgeteilt, ein Bericht über die Gefangenschaft - Freunden gegen-
über hatte er von den »angustiae« gesprochen, die er erlitten habe - hätte eine Anklage an den Kaiser
und die ihm willfährigen Kurfürsten von Brandenburg und von der Pfalz enthalten müssen.
 
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