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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0554
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

Aber der Rat hatte keine Wahl. Nach der Rückkehr der Gesandten aus Köln schlug
der Ausschuß am 29. September dem Rat vor, die Verhandlungen mit den bischöflichen
Räten nunmehr aufzunehmen9 mit dem Ziel, daß wenigstens einige der Stadtkirchen
»der reinen Religion Christi erhalten« blieben. Der Rat beschloß dementsprechend. Er
rechtfertigte seinen Beschluß vor den Predigern damit, daß die Stadt zu schwach sei, um
»den äusserlichen gotts Dienst wyder Kay. Mt. zuerhalten«. Dies teilten die Ratsherren
des Interimausschusses den Predigern am Freitag dem 26. Oktober mit, welche sich
Bedenkzeit für ihre Antwort erbaten10. Doch schon wenige Tage danach erfolgte Bucers
Antwort. Sie lag am 3. November dem Rat vor und wurde dort verlesen11. Sie ist uns in
einer Niederschrift Konrad Huberts erhalten, die an mehreren Stellen von Bucer eigen-
händig korrigiert ist: AST 49,10, fol. i6ia-i75a; 31 beschriebene Seiten ohne besondere
Überschrift.
In dieser Schrift legt Bucer noch einmal die Stellung der Straßburger Prediger zum
Interim dar, ohne die theologischen Einwände früherer Gutachten zu wiederholen und
ins einzelne zu gehen. Dem Rat wird ernstlich vorgeworfen, daß er in Augsburg nicht
schärfer gegen das Interim protestiert habe, selbst wenn er mit seinem Einspruch allein
gestanden hätte. Nun aber bedeute eine Einführung des Interims in einzelnen Kirchen
der Stadt die Verleugnung der erkannten Wahrheit, und man werde dem Antichristen
damit die Tore der Stadt öffnen. Drei Möglichkeiten seien denkbar: mit Gewalt Wider-
stand leisten - dem Kaiser die Entscheidung überlassen - mit dem Bischof verhandeln.
Keiner dieser Wege könne mit gutem Gewissen gegangen werden. Aber gehandelt
müsse werden. Dabei stelle sich die Frage: Hat der Rat überhaupt noch die Entschei-
dungsfreiheit, oder sind die verbrieften Freiheiten der Stadt nicht bereits aufgehoben,
indem der Kaiser sie an sich gezogen hat? Nun sei Hilfe allein von einem Wunder Got-
tes zu erwarten. Darum müsse man beten, weshalb der Rat einen Buß- und Bettag
ansetzen solle. Die letzte politische Entscheidung liege nach der Verfassung bei der
Schöffenversammlung.
Daß diese Vorschläge für eine verantwortungsbewußt handelnde Obrigkeit unan-
nehmbar waren, hatten schon die Ereignisse im August bewiesen und sollte sich im
Verlauf der nächsten Monate zeigen, in denen der Rat seiner Stadt das Schicksal der
geächteten Stadt Konstanz ersparte und zugleich den Weg für die freie Verkündigung
des Evangeliums offenhielt.
[161a] Strenge, Edle, Feste, Fursichtige, Ersame, weyse, Gnedige Herren!1 Von E.G.
wegen haben der Erenfest vnd die Fursichtigen, Ersamen, weysen, vnsere günstige vnd
gepiettende Herren, Herr Jacob Sturm, Altstettmeyster, Herr Niclaus Kniebes vnd
9. AMS AA 563 a, f. 22off.; Pol. Cor. 4, S. 1085; dem Ausschuß gehörten Jakob Sturm, Klaus
Kniebis, Mattheus Geiger, Caspar Rombler und Ludwig Gremp an.
10. Zur Chronologie vgl. Pol. Cor. 4, S. 10850. 1087, Anm. 4; 1088, Anm. 3.
11. Ratsprotokolle in: AMS (1548), f. 545E; vgl. Adam, S. 268.
1. Anrede an den gesamten Rat; danach wird zwischen dem Altstettmeister Jakob Sturm (der
Eerenfest) und den Altammeistern Kniebis und Geiger unterschieden. Zu den verschiedenen Titeln
und deren Funktionen vgl. Adam, S. 2.
 
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