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Orth, Christian; Nicochares
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 9,3): Nikochares - Xenophon: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52132#0034
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Αγαμέμνων (fr. 1)

29

in denen das Wort άψευδόμαντις steht (vgl. unten zur Interpretation); nicht
völlig auszuschließen ist, dass nur Vers 1-2 von Nikochares stammen, vor
Vers 3-4 dagegen der Name des Autors verlorengegangen ist, doch spricht der
einheitliche Stil beider Passagen eher für eine gemeinsame Herkunft.
Textgestalt Vers 3-4 können nicht direkt auf Vers 1-2 folgen (auch Edmonds’
[1928 mit Anm. 1] Annahme eines Sprecherwechsels, mit Zuweisung von Vers
3-4 an Kassandra selbst, ergibt keinen kohärenten Wortwechsel). Plausibel
erscheint aber die Annahme, dass es sich um zwei kurze Ausschnitte derselben
Szene handelt (so schon Papadopulos-Kerameus 1892, 4, der zuerst die Lücke
nach Vers 1 anzeigt), da zwischen Vers 1-2 und 3-4 deutliche inhaltliche
Übereinstimmungen bestehen. Unklar bleibt, ob Vers 1-2 demselben Sprecher
gehören wie Vers 3-4 (vgl. zur Interpretation).
Interpretation Aufgrund des Titels von Nikochares’ Komödie ist ein Bezug
auf Kassandra naheliegend, die in Aischylos’ Agamemnon (vgl. bes. 1035-1330)
eine zentrale Rolle spielt (so zuerst H. Weil ap. Reinach 1892, 325). Die Frage,
ob Kassandras Prophezeiungen wahr sind, wird bei Aischylos von ihr selbst
thematisiert (1194-5 ήμαρτον, ή κυρώ τι τοξότης τις ώς; / ή ψευδόμαντίς είμι,
θυροκόπος, φλέδων;); vgl. auch 1212-3. 1215. 1239-41 (besonders 1241, wo
Kassandra voraussagt, dass sie, sobald ihre Voraussagen eingetroffen sind, als
άληθόμαντις bezeichnet werden wird). 1295-8 (mit έτητύμως am Versende
1296). Die wörtlichen Parallelen mit Aeschylos’ Agamemnon (vgl. auch τε-
λεσφόρος Aesch. Ag. 997. 1000, und den ganzen Vers 1440 [vgl. unten zu 2
άψευδόμαντις ήδε και τελεσφόρος]) sind, auch wenn keine von ihnen für sich
allein beweiskräftig ist, insgesamt deutlich genug, um einen direkten Bezug
auf Aischylos zumindest plausibel zu machen (vgl. Miles 2009, 99).
ήδε in Vers 2 wird oft direkt auf Kassandra bezogen (so z. B. Edmonds I
929, Storey, FOCII383), und dazu passt, dass ψευδόμαντις bei Aesch. Ag. 1195
und άληθόμαντις bei Aesch. Ag. 1241 direkt auf Kassandra bezogen werden.22
Andererseits aber lässt τελεσφόρος in der Bedeutung „Erfüllung bringend“
eher an eine göttliche Macht oder ein Orakel denken (vgl. unten ad L), und
in Vers 3-4 ist von einer τέχνη άψευδόμαντις die Rede. Van Herwerden 1903,
70 vermutet, dass auch in Vers 2 ή τέχνη als Bezugs wort zu verstehen ist.
Vielleicht noch besser mit ήδε vereinbar ist aber die Annahme, dass hier
von einer einzelnen Weissagung die Rede ist;23 das Bezugswort könnte dann
χρησμωδία sein (vgl. Aesch. Prom. 775 ήδ’ ούκέτ’ εύξύμβλητος ή χρησμωδία).
Das hätte zur Folge, dass Kassandra nicht nur in Vers 3-4 (wo eine Person die

22 Vgl. Storey, FOCII 383.
23 Vgl. besonders Aesch. Cho. 541 τούνειρον είναι τοϋτ’ έμοί τελεσφόρον.
 
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