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Orth, Christian; Nicochares
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 9,3): Nikochares - Xenophon: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52132#0164
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Αΰγη (fr. 5)

159

Herakles vergewaltigt wird.209 Problematisch erscheint aber der Übergang von
der Pannychis zum Waschen des Gewands. Geschieht dieses auch noch in der
Nacht, direkt im Anschluss an eine nächtliche Feier mit Tänzen? Und warum
ist die Priesterin dabei allein? Eine plausible Antwort auf diese Einwände
liefert Barrett 2007 in einem schon vor 1984 entstandenem, aber erst 2007
aus dem Nachlass veröffentlichtem Beitrag: Nach Barretts Vermutung rutscht
Auge beim Tanz auf der Pannychis aus (Zeile 9 ... ]σωλισθεν[ ...), versucht
dann ihr dabei verschmutztes Gewand am Brunnenhaus zu waschen und wird
dort vom betrunkenen Herakles vergewaltigt. Dass bei dieser Episode Alkohol
eine Rolle spielte, scheint auch aus einem Fragment der euripideischen Auge
hervorzugehen, in dem wahrscheinlich Herakles selbst seine Tat auf die
Wirkung des Weins zurückführt (Eur. fr. 272b Kn. νύν δ’ οίνος έξέστησέ μ’·
ομολογώ δέ σε / άδικεΐν, τό δ’ άδικη μ’ έγένετ’ ούχ εκούσιον).
Wenn sich das Fragment des Philyllios auf dieses Ereignis bezieht, dann
ist hier wohl besonders die Darstellung eines ausgelassenen Fests, bei dem
jegliche Trennung zwischen den Rollen der Männer und Frauen wegfällt,
eine komische Abwandlung des tragischen Berichts (nach dem vermutlich
Auge mit den Frauen tanzte und Herakles sich mit anderen Männern betrank).
Interessant ist in diesem Fall auch, dass Philyllios ein bei Euripides im Prolog
berichtetes Ereignis in ein Lied (des Chors oder eines Schauspielers) verlegt
(aber natürlich können weitere Bezüge auf dasselbe Ereignis auch schon bei
Euripides in einem Chorlied gestanden haben).
Wenn in Philyllios’ Auge die Geburt des Telephos mit einer Vergewalti-
gung auf einer pannychis erklärt wurde, dann war dieses Stück ein interes-
santer Vorläufer von Komödienhandlungen der Neuen Komödie, in denen
immer wieder Vergewaltigungen auf nächtlichen Festen eine Rolle spielten
(vgl. Men. Sam. 46, Epitr. 1119-20, Phasm. 93-107; vgl. Parker 2005, 172 mit
Anm. 66. 182-3 mit Anm. 21).
1-3 πάντα γάρ ήν/μέστ’ άνδρών <καί> μειράκιων/πινόντων Zu
πάντα ... μέστ’ (+ Gen.) vgl. Ar. Pac. 554 ώς άπαντ’ ήδη ’στι μεστά τάνθάδ’
ειρήνης σαπράς (mit Olson ad L), Thesm. 702 ώς άπαντ’ άρ’ έστί τόλμης

209 So Koenen, Luppe und Kannicht (zu Barretts alternativer Lösung s.u.). Musso
2005 vermutet dagegen aufgrund von archäologischer Evidenz und einem neuen
Ergänzungsvorschlag der Hypothesis (Z. 11 πλησίον κρη[πΐδος), dass bei Euripides
die Vergewaltigung an einem Altar im Heiligtum stattfand (allerdings ist κρηπίς
kaum das in einer Prosa-Hypothesis zu erwartende Wort für einen Altar [Musso
zitiert als Parallele nur Eur. HF 984-5 άμφί βωμίαν / επτηξε κρηπΐδ’]), und für Ar.
Ran. 1080 lag das Schockierende an Euripides’ Darstellung der Auge offenbar nicht
in einer Vergewaltigung am Altar, sondern einer Geburt im Heiligtum.
 
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