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Orth, Christian; Nicochares
Fragmenta comica (FrC) ; Kommentierung der Fragmente der griechischen Komödie (Band 9,3): Nikochares - Xenophon: Einleitung, Übersetzung, Kommentar — Heidelberg: Verlag Antike, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.52132#0389
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384

Sannyrion

auf dieselbe Quelle wie die Diskussion des Athenaios geht Ael. VH 10,6 zu-
rück: έκωμωδοϋντο δέ εις λεπτότητα Σαννυρίων ό κωμωδίας ποιητής καί
Μέλητος ό τραγωδίας ποιητής καί Κινησίας κύκλιων χορών καί Φιλητάς
ποιητής εξάμετρων (zu Philetas vgl. Athen. 12,552b, direkt anschließend an
den Abschnitt über Kinesias).
Textgestalt Die in PCG angenommene Lokalisierung der Lücke am Vers-
anfang ist die einfachste, aber nicht die einzige denkbare Lösung zur Her-
stellung eines iambischen Trimeters. Möglich wäre auch: Μέλητον (—τον
άπό Ληναίου νεκρόν, wobei man in der Lücke z. B. eine Verbform ergänzen
könnte (z.B. οίσθα, womit man den Vers auch als Frage interpretieren könnte,
vgl. Anaxandr. fr. 9,1 τήν έκ Κορίνθου Λαΐδ’ οίσθα;).
Interpretation Der Vers verspottet Meletos für seine dünne Statur (νεκρόν)
und gleichzeitig vielleicht auch als zweitrangigen Tragödiendichter, der hier
mit dem im Vergleich zu dem der städtischen Dionysien weniger prestige-
trächtigen Lenäenagon verbunden wird (άπό Ληναίου).566 άπό Ληναίου wan-
delt die formelhafte Wendung zur Bezeichnung des Lenäenagons, επί Ληναίω,
zu einer Art Herkunftsbezeichnung um, wie sie zur genaueren Identifizierung
einer Person verwendet wird.
Denkbar wäre auch, dass Sannyrion hier direkt auf die Darstellung des
Meletos in Aristophanes’ Gerytades Bezug nimmt, wo Meletos zusammen mit
zwei ebenso dünnen (und damit halbtoten) Dichtern, dem Dithyrambendich-
ter Kinesias und Sannyrion selbst, als Gesandte in die Unterwelt geschickt
werden (vgl. Sannyr. test. 3, und s.u. zu νεκρόν).567 Die Regel „Wer im Glas-

566 Natürlich kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass hier auf ein konkretes (uns
unbekanntes) Ereignis mit Beteiligung des Meletos am Lenäenagon angespielt wird
(oder, in einem anderen Moment während des Lenäenfests, im Lenaion selbst: Dass
verschiedene Orte in das Fest einbezogen waren, zeigt schon die durch ein Gesetz
bei Dem. 21,10 bezeugte Prozession). Häufiger ist z.B. vermutet worden, dass hier
auf eine Niederlage bei den Lenäen angespielt wird (vgl. Bothe 1828, 337 [der an
einen Ausschluss des Meletos vom Lenäenagon denkt], Mazon 1942,184-5, Stoessl
1970, 854,5-7, Snell/Kannicht, TrGF I2 187, Μ. L. Gambato, in: Ateneo III (2001)
1381 Anm. 2). Das ist möglich, doch genügt zur Erklärung der Formulierung τον
άπό Ληναίου νεκρόν auch schon, dass Meletos (1) in irgendeiner Verbindung mit
dem Lenaion oder dem Lenäenagon stand, und (2) aufgrund seiner dünnen Statur
als Toter bezeichnet werden konnte.
567 Vgl. Schmid 1946, 209 Anm. 7: „... Sannyr. fr. 2 K., vielleicht auf den (bei den Lenäen
aufgeführten?) Gerytades zu beziehen.“, Russo 1994, 255 Anm. 1: „Whether Sanny-
rion is alluding to the ‘moribund’ Meletus of Gerytades or not, ...“. Grundsätzlich
denkbar wäre auch, dass das Lenaion (als für eine Dichtergesandtschaft besonders
 
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