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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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B. Die Mitglieder
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II. Nachrufe
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Männlein-Robert, Irmgard: Richard Kannicht: (5. 10. 1931−21. 6. 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0139
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Nachruf auf Richard Kannicht

bis zu seiner Emeritierung 1997 wirkte. Sein engagiertes Wirken als Dekan in den
Jahren 1971/2 für den damaligen Fachbereich Altertums- und Kulturwissenschaf-
ten, sein jahrelanges großes Engagement im damaligen Verwaltungsrat der Uni-
versität Tübingen, sein Einsatz als erster Vorsitzender der Mommsen-Gesellschaft
(1976—1978) sowie sein internationales Renommee drücken sich nicht von un-
gefähr in wiederholten Visiting Professorships, etwa an der University of Califor-
nia Los Angeles (1979) oder an der University of Canterbury Christchurch New
Zealand (1986) aus. 1992 wurde er als ordentliches Mitglied in die Heidelberger
Akademie der Wissenschaften aufgenommen, 1993 zum Corresponding Fellow
der British Academy ernannt und 1996 zum Korrespondierenden Mitglied des
Deutschen Archäologischen Instituts gewählt.
Kennzeichnend für sein wissenschaftliches Arbeiten war methodenstrenge,
technisch brillante und von hohem Ernst getragene philologische Detailarbeit. Wie
wenige andere hat er es dabei auch verstanden, die Funktion des philologischen
Details im Rahmen einer literarischen Interpretation des Textes nicht nur für
Kollegen mit gleicher Gelehrsamkeit, sondern auch für Studierende erlebbar zu
machen. Bereits sein großer Kommentar der euripideischen Helena war ausdrück-
lich nicht nur für die gelehrte Welt bestimmt, sondern auch als Modellkommentar
zum Selbststudium für angehende Philologen.
In der Wissenschaft sind seine philologisch fundierten, ebenso gründlich wie
nüchtern konzipierten Buchpublikationen, Editionen, Kommentare und Überset-
zungen bis heute äußerst wertvolle und gehaltvolle Forschungsbeiträge und Inst-
rumente der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den überlieferten Texten
der griechischen Poesie, vor allem mit den griechischen Tragikern. Richard Kan-
nicht setzte die von Bruno Snell begonnene Neuausgabe der Tragicorum Graeco-
rum Fragmenta (TrGF Bände 1 und 2) fort, so dass dieses philologisch bedeutsame
Unternehmen durch ihn eng mit Tübingen verbunden war. Besonders lag ihm
der attische Tragiker Euripides am Herzen. Der philologischen Aufarbeitung der
überlieferten Fragmente und Testimonien der Tragödien und dramatischen Stü-
cke des Euripides widmete er seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ei-
nen großen Teil seiner Kraft und Arbeitszeit. Im Rahmen der Tragicorum Graecorum
Fragmenta publiziert er in zwei monumentalen Teilbänden sämtliche erhaltenen
Euripides-Fragmente (TrGF Band 5,1 und 5,2; bei Vandenhceck & Ruprecht, Göt-
tingen 2004), die ältere Evidenz ebenso wie neue Papyrus-Funde meisterhaft be-
rücksichtigte und daher mit Recht als philologisch vorbildliches Monument und
sicher auch als KTfj|ia eq a’iEi, als „bleibender Besitz“, der gräzistischen Forschungs-
literatur bezeichnet werden dürfen.
Dass es Richard Kannicht immer wichtig war, die Texte und Fragmen-
te der griechischen attischen Tragiker für ein breiteres interessiertes Publikum
zu erschließen, bezeugen seine seit vierzig Jahren im Buchhandel unverändert
präsente gelungene Überarbeitung der Euripides-Übersetzung der Tragödien

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