2. Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache (DAG)
An dieser Stelle bietet es sich an, die sachlich-begriffliche Ausrichtung des
Projekts an einem Beispiel darzustellen. Was könnte für die Gaskogne naheliegen-
der sein als der Begriff des Weins, dokumentiert als bin (ab ca. 1170), vin (ca. 1190),
bii (12. Jh.), bi, vi, hing, ving etc. (im Folgenden werden nur die Erstbclege festge-
halten: alle undatiert angeführten Beispiele stammen aus dem 13. Jahrhundert, bei
den frühen Belegen aus dem 12. Jh. ist die Datierung vermerkt).
An der Wende vom 10. zum 11. Jh. begann die Entwicklung Bordeaux’ als Wei-
nanbaugebiet. Das mit der englischen Krone vereinigte Aquitanien (1152—1453)
wurde zum wichtigen Weinlieferanten der Engländer. Und so begann Ende des
12. Jahrhunderts die große bis heute währende Erfolgsgeschichte des Bordelais.
Durch Englands Nähe zu Aquitanien und mit der wachsenden Konkurrenz aus-
ländischer Märkte verlor dort der heimische Weinanbau im späteren Mittelalter
zunehmend an Bedeutung. Früher hatte man bis hinauf nach Yorkshire Wein an-
gebaut, doch schon kleinere Klimaschwankungen konnten schlechte oder unge-
nießbare Ernten zur Folge haben. Jene, die es sich leisten konnten, bevorzugten
die von Natur aus süßeren, vollmundigen und robusteren Weine Kontinentaleuro-
pas, denn die englischen Rebensäfte galten als herb und minderwertig, auch wenn
man sie mit Honig und Gewürzen geschmacklich aufwertete. Kein Wunder, dass
anstelle des Konsums des englischen Weins, den man zähneknirschend und mit
zugedrückten Augen „kauen, eher als trinken musste“ (Pierre de Blois, ca. 1135 -
ca. 1203), im 13. Jahrhundert der Weinhandel mit dem Kontinent, insbesondere
mit dem Rheinland und Südfrankreich, florierte. Mittelalterliche Weinführer lob-
ten besonders die südlichen Weine aus Griechenland und Zypern, aber auch von
Weinen aus der Provence und der Gascogne hieß es, sie seien temperamentvoll
und kräftig: Am süßen La Rochelle sollten „sich ganz England, die Bretagne, die
Normandie, Flandern, Wales, Schottland, Irland und Skandinavien laben“. Auch
waren die Importpreise für die Angehörigen besser gestellter englischer Schichten
durchaus bezahlbar: So kostete 1342 eine Gallone (4,54 1) Wein aus der Gascogne
vier Pence, Wein aus dem Rheinland sechs Pence.
Die Geschichte des Weins, wie wir sie in der Gascogne des 12./13. Jahrhun-
derts anhand der Dokumentensprache vorfinden, gliedert sich in vier Bereiche, die
dem onomasiologischen Ansatz folgend in verschiedenen Kapiteln behandelt sind:
dem Weinanbau, der Herstellung von Wein, dem Getränk an sich und schließlich
seinem Ausschank.
In Kapitel B III b2 zur Landwirtschaft findet sich die Rubrik ff9 „Weinbau“
(Art.nr. 2816 — 2842). Die zunehmend qualitativen Verbesserungen und agrar-
technischen Errungenschaften der Arbeit im Weinberg (bigna ca. 1186 oder hin-
kau') schlugen sich in den volkssprachlichen Texten der Zeit erkennbar nieder.
Im Frühjahr, wenn der Grundstein für den Weinbau gelegt wird, ist die Rede von
planter (12. Jh.), plantat (12. Jh.) oder binher zur Bezeichnung des jungen Wein-
bergs in seinem Frühstadium des Anpflanzens. Um ihn zu bearbeiten (coutinar
169
An dieser Stelle bietet es sich an, die sachlich-begriffliche Ausrichtung des
Projekts an einem Beispiel darzustellen. Was könnte für die Gaskogne naheliegen-
der sein als der Begriff des Weins, dokumentiert als bin (ab ca. 1170), vin (ca. 1190),
bii (12. Jh.), bi, vi, hing, ving etc. (im Folgenden werden nur die Erstbclege festge-
halten: alle undatiert angeführten Beispiele stammen aus dem 13. Jahrhundert, bei
den frühen Belegen aus dem 12. Jh. ist die Datierung vermerkt).
An der Wende vom 10. zum 11. Jh. begann die Entwicklung Bordeaux’ als Wei-
nanbaugebiet. Das mit der englischen Krone vereinigte Aquitanien (1152—1453)
wurde zum wichtigen Weinlieferanten der Engländer. Und so begann Ende des
12. Jahrhunderts die große bis heute währende Erfolgsgeschichte des Bordelais.
Durch Englands Nähe zu Aquitanien und mit der wachsenden Konkurrenz aus-
ländischer Märkte verlor dort der heimische Weinanbau im späteren Mittelalter
zunehmend an Bedeutung. Früher hatte man bis hinauf nach Yorkshire Wein an-
gebaut, doch schon kleinere Klimaschwankungen konnten schlechte oder unge-
nießbare Ernten zur Folge haben. Jene, die es sich leisten konnten, bevorzugten
die von Natur aus süßeren, vollmundigen und robusteren Weine Kontinentaleuro-
pas, denn die englischen Rebensäfte galten als herb und minderwertig, auch wenn
man sie mit Honig und Gewürzen geschmacklich aufwertete. Kein Wunder, dass
anstelle des Konsums des englischen Weins, den man zähneknirschend und mit
zugedrückten Augen „kauen, eher als trinken musste“ (Pierre de Blois, ca. 1135 -
ca. 1203), im 13. Jahrhundert der Weinhandel mit dem Kontinent, insbesondere
mit dem Rheinland und Südfrankreich, florierte. Mittelalterliche Weinführer lob-
ten besonders die südlichen Weine aus Griechenland und Zypern, aber auch von
Weinen aus der Provence und der Gascogne hieß es, sie seien temperamentvoll
und kräftig: Am süßen La Rochelle sollten „sich ganz England, die Bretagne, die
Normandie, Flandern, Wales, Schottland, Irland und Skandinavien laben“. Auch
waren die Importpreise für die Angehörigen besser gestellter englischer Schichten
durchaus bezahlbar: So kostete 1342 eine Gallone (4,54 1) Wein aus der Gascogne
vier Pence, Wein aus dem Rheinland sechs Pence.
Die Geschichte des Weins, wie wir sie in der Gascogne des 12./13. Jahrhun-
derts anhand der Dokumentensprache vorfinden, gliedert sich in vier Bereiche, die
dem onomasiologischen Ansatz folgend in verschiedenen Kapiteln behandelt sind:
dem Weinanbau, der Herstellung von Wein, dem Getränk an sich und schließlich
seinem Ausschank.
In Kapitel B III b2 zur Landwirtschaft findet sich die Rubrik ff9 „Weinbau“
(Art.nr. 2816 — 2842). Die zunehmend qualitativen Verbesserungen und agrar-
technischen Errungenschaften der Arbeit im Weinberg (bigna ca. 1186 oder hin-
kau') schlugen sich in den volkssprachlichen Texten der Zeit erkennbar nieder.
Im Frühjahr, wenn der Grundstein für den Weinbau gelegt wird, ist die Rede von
planter (12. Jh.), plantat (12. Jh.) oder binher zur Bezeichnung des jungen Wein-
bergs in seinem Frühstadium des Anpflanzens. Um ihn zu bearbeiten (coutinar
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