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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Siebter Forschungsschwerpunkt „Wie entscheiden Kollektive?“
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1. Heiligenleben: Erzählte Heiligkeit zwischen Individualentscheidung und kollektiver Anerkennung
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0295
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1. Heiligenleben (WIN-Programm)

Unser Projekt versteht die Heiligenlegende daher als Gefüge von konfligierenden
Entscheidungsinstanzen: historisch als Produkt kollektiver Aushandlung zwischen
Verehrungsgemeinschaften, kirchlichen Institutionen und neutralen Publika; fi-
gural als Konflikt von protagonistischem Fügungswillen und antagonistischer Ent-
scheidungsgewalt, als Spannung von moralischer Willensfreiheit und providentiel-
ler Steuerung; und erzähltechnisch als Polarität von Exzeptionalitätsanspruch und
generischer Modellierung.
Die Arbeit an diesem Programm ist im vergangenen Jahr weiter vorange-
schritten: Zum einen schlägt sich dies in der Arbeit an den einzelnen Habilitati-
onsschriften nieder, auf deren thematischer Konvergenz das Projekt beruht. Aus
dem interdisziplinären Gespräch während mehrerer virtueller Projekttreffen ist
mittlerweile ein Gemeinschaftsaufsatz veröffentlicht worden (Daniela Blum; Ma-
rie Gunreben [2020]: „Erzähl, Chronist!“: Michael Köhlmeiers „Der Mann, der
Verlorenes wiederfmdet“ [2017] in der Tradition der Heiligenlegende. In: Weimarer
Beiträge 66 [3], S. 386—405); ein weiterer Aufsatz, der sich dem Thema „Heils-
geschichte und Autonomie? Zum Handlungsspielraum hagiographischer Prota-
gonisten“ (Nicolas Detering, Beatrice von Lüpke) widmet, wird im kommenden
Jahr erscheinen. Beschäftigt hat uns in diesem Jahr insbesondere die Vorbereitung
einer interdisziplinären Tagung, die Ende September unter strengen Auflagen in
Präsenz in den Räumen der Heidelberger Akademie stattfinden konnte (s. dazu
den untenstehenden ausführlichen Tagungsbericht). Die Überlegungen und Dis-
kussionen der Gruppe wurden dabei durch einen gemeinsamen Einführungsvor-
trag und durch den Fachvortrag von Beatrice von Lüpke zur Diskussion gestellt,
die am Beispiel von Paulus-Legenden des Hoch- und Spätmittelalters die unter-
schiedliche Pointierung der so paradoxen Erwählung eines Sünders aufzeigt, die
wiederum in der Zusammenschau zu unterschiedlichen Rezeptionshaltungen
anleitet. Daneben haben mehrere virtuelle Arbeitsgespräche stattgefunden; ein
geplantes persönliches Treffen in Bern musste wegen der Pandemie verschoben
werden. In der Lehre hat Marie Gunreben ein Seminar zu „Religion in der Ge-
genwartsliteratur“ angeboten (Universität Konstanz, SoSe 2020), Nicolas Detering
einen Kurs zur „Ästhetik des Sakralen“ (Universität Bern, FS 2020). Der Schwei-
zerische Nationalfonds (SNF) hat Nicolas Detering einen Eccellenza Grant für
ein verwandtes Anschlussprojekt zugesprochen (Gattungspoetik des Sakralen: Trans-
formationen christlich-alteuropäischer Literatuformate in der deutschsprachigen Moderne;
zwei Doc- und eine Postdoc-Stelle; 2021 —2026), das diverse Anregungen aus dem
WIN-Projekt fortführt.
Fortgeführt wurde auch in größeren interdisziplinären Zusammenhängen das
Gespräch mit den anderen Projekten des WIN-Kollegs. Bei dem Treffen der Kol-
legiatinnen und Kollegiaten im Juli haben wir die historische Wandelbarkeit des
Entscheidungshandelns zur Diskussion gestellt.

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