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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2020 — 2021

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D. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Siebter Forschungsschwerpunkt „Wie entscheiden Kollektive?“
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Tagung „Entscheidung zur Heiligkeit? Autonomie und Providenz im legendarischen Erzählen vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (23. bis 25. September 2020)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61621#0297
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1. Heiligenleben (WIN-Programm)

ten. Organisiert wurde die Tagung von dem WIN-Projekt „Heiligenleben. Erzähl-
te Heiligkeit zwischen Individualentscheidung und kollektiver Anerkennung“.
Ausgangspunkt dieser intensiven Diskussionen war die Frage, wer darüber
entscheidet, was als „heilig“ gilt, und wie sich dieser Entscheidungsprozess in li-
terarischen Zeugnissen abbildet. Interdisziplinär war die Tagung dabei nicht nur
in dem Sinne, dass Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Philologien mitei-
nander ins Gespräch kamen, sondern auch in dem breiten zeitlichen Zuschnitt,
in dem mittelalterliche Zeugnisse ebenso berücksichtigt wurden wie neuzeitliche,
nämlich moderne und postmoderne, jüdische und christliche Hagiographien.
Innerhalb dieses breiten Spektrums ließen sich über Sprach- und Epochen-
grenzen hinweg drei Schwerpunkte ausmachen: In der ersten Sektion ,Figur und
Handlungsmacht’ standen konkrete heilige Figuren und ihre Handlungsmacht
im Zentrum der Überlegungen. Das Erzählen von den Lebenswegentscheidun-
gen dieser Figuren unterliegt einerseits dem Anspruch, ihre Heiligkeit narrativ zu
plausibilisieren und die Autonomie dieser Entscheidungen herauszustellen. An-
dererseits steht das Leben der Protagonistinnen und Protagonisten von Anfang an
unter dem Aspekt der göttlichen Wahl. Den Auftakt zu dieser Sektion bildete der
Vortrag von Andreas Hammer „Heiligkeit ohne Vorbild? Zu einigen „Grenzfäl-
len“ unter den Heiligen“, der mit der Kollektivlegende von den Siebenschläfern
und Legenden über Johannes den Täufer in zweierlei Weise Texte herangezo-
gen hat, die gängige Vorstellungen mittelalterlicher Hagiographie herausfordern.
So qualifizieren sich die Siebenschläfer nicht durch die Wahl eines Martyriums
zur Heiligkeit, sondern fliehen vor dem Martyrium und werden trotzdem durch
ein Wunder göttlich ausgezeichnet. Der Tod Johannes des Täufers kann eben-
falls nicht als bloße imitatio Christi gelesen werden, ereignet er sich doch noch
vor der Passion. Susanne Spreckelmeier spannte in ihrem Vortrag „Zweifellos
heilig? Zu Entscheidungen und Eingebungen in Bearbeitungen der Gregorius-
Legende“ den Bogen vom Hochmittelalter bis in die Moderne, indem sie die
erzählten Entscheidungen im Gregorius Hartmanns von Aue und im Roman Der
Erwählte von Thomas Mann einem entscheidungsthcoretisch fundierten close
reading unterzog. Auf die Bedeutung von überlieferungsgeschichtlichen Zusam-
menhängen verwies insbesondere der Vortrag „Gesammelte Heiligkeiten. Reli-
giöse Leitbilder und Sammlungsprinzipien in ziesterziensischen Legendären des
Hoch- und Spätmittelalters“ von Julia Weitbrecht und - in Abwesenheit - An-
dreas Bihrer, die im Rahmen einer Projektvorstellung auch mögliche Rezepti-
onshaltungen beleuchteten. Dem Medium Film war der Vortrag „Antonius von
Padua in Träs-os-Montes. Zur Geburt eines Heiligen in O Ornitologo von Joäo
Pedro Rodrigues“ von Jörg Dünne gewidmet, in dem dieser das filmische Spiel
mit den zahlreichen Anspielungen auf hagiographische bildliche und textliche
Traditionen analysierte. Paulus galt das Interesse von Beatrice von Lüpke, die
unter der Überschrift „Paradoxien der Sündererzählung: Zu den Entscheidun-
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