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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0074
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

haben und zu gebrauchen erkennen mage. Dabei wirt mich freilich ein jeder Christ wol
lassen bleiben.
ZUm achten83 legt mir diser Schandtichter auch das fälschlich uff, das ich mich bei
Fürsten und Herren habe onberufft84 eingetrungen und fil reformierens understanden.
Er weis aber noch keinen Fürsten, Herren, Stat oder kirche anzüzeigen, wie auch keiner 5
ist, zu dem ich mich je onberuffen hette eingetrungen. Das ist aber ja die sünde gar, das
ich uff christliche reformation mit ernst getrungen habe und noch tringe im predigen
und schreiben, so fil ich kan85. Welches aber nit allein alle prediger des h. Evangelii,
sonder alle Christen zü.thün schuldig sind, nach dem sie alle täglich betten zu Got,
unserem himlischen vatter: zükome dein reich! das ist: zerstöre des widerchrists und 10
teuffels tyrannei! Es ist doch die höchste not christlicher Reformation vor äugen, wie
alle wäre Christen bekennen. Dann es die päpstlichen Prelaten und Clericen mit und
durch iren Papst nun lengist dahin gebracht haben mit irem pfarrenincorporieren86 und
berauben und verstdrung aller disciplin, das in allen landen so grewlich fil pfarren gar
ledig stehn; Und die pfarrer haben, haben gemeinlich solche leut darzü, das man nit bald 15
bei inen findet, die öffentlich gotloser und verruchter leben; zu dem, das sie das arme
volck | H ib | kein wäre büs noch glauben an Christum, unseren Herren, sonder allein
ihre Messen und ceremonien lehren hochhalten und theur kauffen87 und dadurch die
gnad Gottes und der heiligen verdienst erlangen.
Es ist aber aller gotlosen art, das sie wider Gott und alles heil der menschen handlen 20
und wüten wollen nach allem irem und ires vatters, des teuffels, mütwillen88, und dann
des von meniglich ongestraffet sein. Die seinds, die sagen: unser zung solle berschen, uns
gepüret zu reden, wer ist unser Herr ei Psalm xii [5]. Dis ist das widerspenstig volck und
die lugenhafften kinder, die das gesetz nit wollen hören, die zun Sehern sagen: Se-
hen89 nit! Und6 zun Schawern: Schawen nit, das richtig ist! Redet Schmeichlerei und 25
schawen betrug! Weichen vom wege! Neigen euch vom pfade! Lassen den Heiligen
Israel bei uns auffhoren! Jesaie xxx [9-11]. Der geist Christi aber weichet niemand,
schweiget zu keinem onrechten, sonder straffet die gantze weit der sünden in allen,
denen er redt, Und das war Evangelion prediget allen creaturen: Thüt büs und besseret
euch! Dise grossen Prelaten meinen aber, ich und meinsgleichen arme brüderlin soltens 30
e) Uund.
83. Wäs Bucerus an christlicher reformation gearbeitet. [Marg.].
84. Ohne dazu berufen (gerufen) worden zu sein. Zu dieser Frage hat sich B. ausführlich in
seinem Anhang zu seiner Schrift >Bestendige Verantwortung auß der Heiligen Schrifft ... < (Bonn
1545; Bibi. Nr. 86) geäußert. Die vocatio legitima war für die Reformatoren eine ernste und immer
wieder neu sich stellende Frage, so auch für B.
85. Buceri groste sünde gegen den Päpstleren. [Marg.].
86. Pfarrstellen an sich ziehen, d. h. die Einkünfte der Kanonikatspfründen dadurch vermehren,
daß die Stellen-Dotationen einzelner Kirchen dem betr. Stift überschrieben, d. h. dem Stiftsvermö-
gen »einverleibt« wurden. Dadurch konnten einzelne Pfarrstellen - nach längerer Vakanz, während
der die Inkorporation erfolgt war - nicht mehr besetzt werden. Vgl. Anm. 78 (Teil za).
87. Teuer bezahlen lassen.
88. Willkür, Eigenwille. Lexer 1, Sp. 2248.
89. Sehet (2. pers. pl. prs. imp.).
 
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