Martin Bucers Deutsche Schriften

102.

DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

ein wunder sein, das er uns durch die jetzige rüten und straffen anfahe, zu erkantnus
und besserung auch dises züvil grossen mangels und fehls132 auffzüwecken und anzu-
halten?
Nemlich dieweil auch deren nit wenig bei uns seind, die solche rechte bestellung133
der Gemeinden Christi, gemeinschafft und zücht der gleubigen trutzlichen widerfech- 5
ten und sie ein newes Bapstumb schelten und, die davon recht lehren, bezüchtigen134,
sie greiffen wider nach dem schwert, So sie doch wol hören, das man von diser Christ-
lichen gemeinschafft und zücht nichts uberal lehret, dann das unser lieber Herre Jesus
selb gebotten und angerichtet hat, dadurch alle macht, regierung und ehr in der Kirchen
allein im, Christo unserem Herren, und dem h. Geist und gar keinem menschen würt 10
zügestellet135 und erhalten; Und also alle widerchristliche Tyrannei gentzlich verhütet
und zerstöret, Welche hievor dadurch einkommen ist, das der Bapst und die seinen alle
wähl und urtheil der Kirchen von der Gemein Gottes genomen und allein in iren henden
gehalten haben. Nun wolten aber die waren und getrewen diener des h. Evangeli gern
nach dem wort des Herren ein solche gemeinschafft aller Sachen und wercken Christi in 15
den Kirchen und Gemeinden Gottes helffen anrichten, das alle glider Christi zur besse-
rung des gantzen leibs und jeder glider trewlich und besserlich dieneten; Wie uns des
der heilige Geist deßselb form und6 maß hat vorgeschriben Acto. ii [44-47] und iiii
[32-35]; Rom. xii [1-21]; i. Cor. xii [12-26]; Ephes. iiii [1-6]. Dabei ja nichts dann
unsers lieben Herren Jesu Christi und seines heiligen Geists selig Regiment und ewigs 20
heil einkommen mage und gefürdert werden und alles Bapstumb und menschliche
Tyrannei gentzlich verhütet und abgehalten.
| C 4b | Aber, lieber Herre Gott, wievil seind deren, die der gemeinschafft und zücht
unsers Herren Jesu Christi und seinem h. Geist darumb widersprechen und widerstohn,
das sie sich daher etwas widerchristischer Tyrannei besorgeten, und nicht mehr darumb, 25
das sie vor dem reich Christi selbs und allem zeitigen und war Christlichem straffen der
sünden sehe wen? Welches der heilige Geist in solcher gemeinschafft und zücht wol in
aller liebe und war geistlicher sanfftmüt, aber dabei doch auch mit war Christlichem
eifer treiben thüt. Denn deren leider gar fil sind allenthalben, da man die predig des
Evangeli angenomen hat, die des Bapsts joch nicht darumb von sich gelegt haben, das sie 30
sich dem joch Christi wolten underwerffen, sondern das sie, frei von aller Religion-
zucht, möchten iren lüsten nachleben on alle straff und rechtfertigung; Und damit sie
nit Gotlos geachtet, etwa ein predig hören gleicher besserung136, wie sie vor137 die
Messen gehöret haben, Daneben aber, gleich anderen Heiden und ongleübigen, Gottes
e) vud.
132. Vgl. Anm. 117 und den Titel der Schrift >Von der Kirchen mengelvnnd fähl>, die G. Anrich
auszugsweise in der Festschrift für Hans von Schubert veröffentlicht hat. G. Anrich: Ein Bedacht
Bucers über die Einrichtung von »Christlichen Gemeinschaften«. In: ARG. Erg. Bd. 5. 1929.
S. 46ff.
133. Ordnung, Leitung. Lexer 1, Sp. 226.
134. Beschuldigen. Mhd. »bezihen«. Lexer 1, Sp. 259.
135. Zuerkannt. Lexer 2., Sp. 1173.
136. Zu dem gleichen Sichbessem, mit gleichem Nutzen. Martin-Lienhart 2, Sp. 99.
137. Zuvor, früher.