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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0158
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

rung seiner Hausmacht kümmern und sich der Regelung der Religionsstreitigkeiten in
Deutschland zuwenden. Vorauszusehen war, daß dies nicht ohne Gewalt abgehen
würde, nachdem andere Wege nicht zum Ziel geführt hatten. Die Fürsten und Städte des
Schmalkaldischen Bundes mußten mit einem Religionskrieg rechnen.
Vor diesem Hintergrund unternahm Bucer den Versuch, die Kirche Straßburgs von
innen her zu erneuern. Die Reformation des Lebens sollte der der Lehre folgen und sie
vollenden. Eine Freiwilligkeitsgemeinde, »Christliche Gemeinschaft« genannt, würde
durch eine lebensnahe, biblische Verkündigung und freiwillige Unterwerfung unter eine
geregelte brüderliche Zuchtübung entstehen und die »Gemeinschaft der Heiligen« im
Rahmen des christlichen Stadtstaates verwirklichen. Anfang 1546 verfaßte Bucer des-
halb eine Grundsatz-Denkschrift, die er im Namen des Kirchenkonvents dem Rate
einreichte (Dok. 1). In ihr mahnte er die Obrigkeit an ihre Pflicht, auch institutionell für
ein christliches Leben der Bürger der Stadt zu sorgen. Auf kirchlicher Seite sollte durch
die Bildung von Gemeindekernen mit praktisch geübter Kirchenzucht ein neuer Anfang
gemacht werden. Dazu erbat er die Zustimmung der Obrigkeit. Der Rat nahm von
diesen Gedanken Kenntnis, irgendeine Stellung dazu nahm er nicht.
Die Hauptlast des im gleichen Jahre beginnenden Schmalkaldischen Krieges hatten -
zumindest in den ersten Monaten - die süd- und oberdeutschen Städte des Bundes zu
tragen. Auch in Straßburg war die Bürgerschaft in Sorge und Unruhe: War das nicht
Gottes Gericht über Kirche und Staat, da das Evangelium nicht mehr ernst genommen
worden war? So forderten die Prediger im Juli vom Rat, regelmäßige Buß- und Bettage
einzurichten. Man mahnte ihn erneut an seine Pflicht, »guete Zucht vnnd disciplin
anzurichten« (Dok. 2). In diesen Wochen bildeten sich in einzelnen Gemeinden - wohl
im Zusammenhang mit den sogleich eingeführten Buß- und Bettagen - die ersten
»Christlichen Gemeinschaften«. Der mit großen Hoffnungen begonnene »Donaufeld-
zug« der Schmalkaldener endete jedoch, ohne eine Entscheidung herbeizuführen, und
hatte zur Folge, daß sowohl Sachsen als auch Hessen seine Truppen aus Süddeutschland
abzogen. Das Ergebnis war, daß Württemberg und mehrere Städte sich dem Kaiser
ergeben mußten. Auch Straßburg hatte keine andere Wahl, als sich im März 1547
Karl V. zu unterwerfen.
Überall zeigten sich die Folgen des Krieges und seines unglücklichen Ausgangs im
süddeutschen Raum durch zunehmende Verwilderung der Sitten, Zuchtlosigkeit und
Unordnung aller Art. Noch einmal unternahmen die im Aufbau von Gemeindekernen
besonders aktiven Pfarrer einen Vorstoß beim Rat. Mit Zell, Fagius und Marbach er-
schien Bucer am 11. April 1547 vor dem Rat und legte eine Schrift vor, die konkrete
Vorschläge machte »wegen abschaffung grober läster vnd auffrichtung gueter Ordnung
vnd disciplin« (Dok. 3). Sie erreichte, daß der Rat eine Kommission einberief, die ge-
meinsam mit Pfarrern und Kirchenpflegern eine neue Zuchtordnung entwerfen sollte.
Die Bemühungen um den Aufbau von Gemeinden brüderlicher Zucht wurden fortge-
setzt.
Von diesen Gemeindekreisen ist uns eine Abschrift ihrer Lebensordnungen (»Statuten
Christlicher Gemeinschaft) erhalten, die uns wertvolle Einblicke in ihre Entstehung
und ihr Leben erlaubt (Dok. 4). Sie ist wahrscheinlich im Sommer 1547 niedergeschrie-
ben worden und hat wesentliche Teile der Denkschrift vom Januar 1546 noch einmal
 
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