Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0159
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KIRCHENZUCHT UND GEMEINDEREFORMATION

155

aufgenommen. Ihre Spuren lassen sich bis in das Jahr 1549 hinein verfolgen (vgl. Bel-
lardi, Die Geschichte, S. 87L und i8if.).
Inzwischen waren die Kriegshandlungen durch die Niederlage der Schmalkaldener
und die Gefangennahme des sächsischen Kurfürsten und des Landgrafen von Hessen
für den Kaiser siegreich beendet worden. Die Straßburg auferlegten Friedensbedingun-
gen verlangten von Rat und Bürgerschaft erhebliche Opfer. Es kam deshalb in der Stadt
zu politischen Spannungen und Spaltungen, die in die Kirchengemeinden hineinwirk-
ten. Die Ratskommission für die neue Zuchtordnung unterbrach für Monate ihre Ar-
beit. Innerhalb des Predigerkreises entstanden Meinungsverschiedenheiten über die
Weiterführung der Gemeinschaftsbewegung. In Stadt und Kirche mehrten sich die
Stimmen, die zu allgemeinem Stillhalten rieten. So überrascht es nicht, als der Rat Ende
Oktober alle Maßnahmen zur Aufrichtung einer kircheneigenen Zucht in den Gemein-
den untersagte und zugleich von allen Predigern eine Rechtfertigung ihres bisherigen
Vorgehens und eine Stellungnahme zu den Stadt und Kirche bewegenden Fragen ver-
langte.
Am 9. November 1547 wurde Bucer als Superintendent des Kirchenkonvents vor
dem Rat vorstellig und übergab eine umfangreiche Schrift, die den Forderungen des
Rates entsprechen sollte, ihnen tatsächlich aber wenig entsprach (Dok. 5). Bucer
konnte, und das zeigt sein Dilemma, nur noch für einen Teil seiner Pfarrer sprechen.
Die anderen distanzierten sich von seiner Schrift und von seinem Vorgehen. Nur Caspar
Hedio richtete eine eigene Schrift zur Kirchenzucht an den Rat (veröffentlicht in: Bucer
und seine Zeit, Wiesbaden 1976, S. 12.7-13 2). Die übrigen drei Pfarrer - Zell, Nigri und
Steinlin - schwiegen, obwohl sie von Bucer und seinen Freunden inständig umworben
wurden. Am 11. November erhielten sie einen Fragenkatalog zu den Grundsätzen
brüderlicher Zucht (Dok. 6). Doch auch daraufhin geschah nichts. Wenige Tage später
mahnte Bucer ihre Antwort an (Dok. 7). Da er die Spaltung des Predigerkreises auf
direktem Wege offenbar nicht überwinden konnte, schrieb er am 30. November eine
groß angelegte Apologie der »Christlichen Gemeinschaft«, die er unmittelbar an die
dafür eingesetzte Ratskommission richtete (Dok. 8 - veröffentlicht in: Bellardi, Die
Geschichte, S. 121-164). Neben der Denkschrift vom Januar 1546 ist diese Eingabe
wohl die wichtigste und aufschlußreichste Quelle für Bucers Versuch einer »zweiten
Reformation«.
Wohl zum letzten Mal verteidigte Bucer seine Gedanken in einer Rechtfertigungs-
schrift an den Rat vom 19. Dezember 1547. Dabei ging es um die Proteste gegen seine
Predigten und die seines Freundes Fagius über die Frage einer gerade jetzt notwendigen
biblischen Kirchenzucht (Dok. 9). Für die weitere Geschichte der »Christlichen Ge-
meinschaft«, die sich bis in das Jahr 1550 hinein verfolgen läßt, sind handschriftliche
Äußerungen Bucers nicht mehr bekannt. Wenige Wochen nach dem 19. Dezember 1547
nahm der Kampf um das Interim seine ganze Kraft in Anspruch.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften